Paris - Sechs Monate nach dem Amtsantritt von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat ein unbefristeter Streik der Eisenbahner das Land in ein Verkehrschaos gestürzt. Im Berufsverkehr am Mittwoch bildeten sich in ganz Frankreich Hunderte Kilometer Stau. Von rund 700 Hochgeschwindigkeitszügen sollten laut Staatsbahn SNCF nur 90 fahren, bei den Pariser Verkehrsbetrieben verkehrte durchschnittlich nur jede fünfte U-Bahn. In Paris sammelten Streikgegner Unterschriften gegen den Ausstand, der sich gegen die von Sarkozy geplante Abschaffung der Frührente in Staatsbetrieben richtet. Arbeitsminister Xavier Bertrand sprach am Vormittag erneut mit den Gewerkschaften.

Fahrgemeinschaften

Allein im Großraum Paris bildeten sich fast zweihundert Kilometer Stau, wie das französische Verkehrsinformationszentrum (CNIR) mitteilte. Die Eisenbahner streiken seit Dienstagabend. Am Mittwoch schlossen sich viele Beschäftigte der Pariser Verkehrsbetriebe dem unbefristeten Ausstand an. Zwei U-Bahnlinien in der Hauptstadt wurden ganz eingestellt, von den Bussen fuhren nur 15 Prozent. Viele Berufstätige bildeten Fahrgemeinschaften oder fuhren mit dem Fahrrad zur Arbeit.

Auch bei den Energiekonzernen EDF und GDF legte ein Teil der Beschäftigten die Arbeit nieder. In Südwestfrankreich stellten EDF-Mitarbeiter am Dienstagabend in mehreren Städten den Strom für öffentliche Gebäude ab. Privatleute und Unternehmen waren nicht betroffen. Laut EDF beteiligten sich zunächst 28 Prozent der Beschäftigten an dem Streik.

Neue Verhandlungen

Gewerkschaftsführer Jean-Louis Malys kündigte nach einem Treffen mit Arbeitsminister Bertrand neue Verhandlungen an. Er hoffe, dass das Ministerium noch am Mittwoch Vorschläge unterbreite, sagte der Generalsekretär der Arbeitnehmervertretung CFDT. Es gebe durchaus Verhandlungsspielraum. Eine Machtprobe nütze den Beschäftigten nicht. Die Gewerkschaften verlangen, dass die Regierung die geplante Reform nicht einseitig durchsetzt, sondern zunächst Dreiergespräche mit den Unternehmen und Gewerkschaften führt. Oppositionsführer Francois Hollande rief dazu auf, nicht länger als einen Tag zu streiken.

Der internationale Bahnverkehr mit den Thalys-Zügen nach Brüssel, Amsterdam und Köln liefen laut SNCF trotz des Streiks "normal", es gab aber Verspätungen. Auch die Eurostar-Züge zwischen Paris und London verkehrten regulär.

Die Beschäftigten der französischen Verkehrsbetriebe und der Energiekonzerne hatten schon Mitte Oktober erstmals gegen Sarkozys Reform gestreikt. Zuletzt hatte vor zwölf Jahren eine ebenfalls konservative Regierung versucht, das Rentenprivileg zu kippen. Damals lag das ganze Land fast drei Wochen lang lahm, bis die Regierung schließlich von dem Vorhaben abließ. (APA/AFP)