Basel/Zürich/Rom- Internationale Tageszeitungen kommentierten in ihren Mittwoch-Ausgaben den Rücktritt des deutschen Vizekanzlers Franz Müntefering.

Basler Zeitung"

"Auch wenn Müntefering betont, allein die Krebserkrankung seiner Frau sei ausschlaggebend für seinen Rücktritt - seine politische Demontage wird diese Überlegungen sicherlich befördert haben. Beck kommt der Rücktritt Münteferings gelegen, womöglich hat er ihn sogar absichtlich forciert: Er installiert nun mit Olaf Scholz einen kleinen Vasallen im Kabinett und kann selbst - unbelastet von Regierungszwängen - von außen weiter kräftig Kritik an der Regierung üben. Wenn er sich da mal nicht verrechnet: Die Wähler werden es vermutlich nicht zu schätzen wissen, wenn einer nur stänkert, selber aber keine Regierungsverantwortung übernimmt."

"Neue Zürcher Zeitung"

"Die deutschen Sozialdemokraten, deren Popularität und Selbstvertrauen als Partner der großen Berliner Koalition auf nicht besonders soliden Füssen stehen, müssen nun ohne den im traditionellen SPD-Milieu verwurzelten Parteisoldaten 'Münte' auskommen. Aber gerade in der Politik ist, wie man weiß, niemand unersetzlich. (...) Schwieriger könnte es für Bundeskanzlerin Merkel werden, die Große Koalition ohne die Unterstützung Münteferings als handlungsfähige Partnerschaft zusammenzuhalten.

Müntefering hat die staatspolitische Notwendigkeit dieses Bündnisses glaubwürdiger beschworen und sich mit mehr Verve für dessen Funktionsfähigkeit engagiert als andere Führungsfiguren in der SPD. Die Prognose, dass die Große Koalition in Berlin bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahre 2009 fortbestehen wird, ist nach dem Ausscheiden Münteferings etwas unsicherer geworden."

"Corriere della Sera" (Mailand)

"Der Kanzlerin steht jetzt ein immer unnachgiebigerer sozialdemokratischer Partner-Gegner gegenüber. Aber auch für Kurt Beck ist jetzt nicht alles leicht. Mit Müntefering aus dem Spiel hat er seine völlige Autorität in der Partei gefestigt. Durch die Kurve nach links droht ihm indessen die Gefahr, Stimmen in der Mitte zu verlieren, vor allem wenn dies als Grund einer politischen Krise in der Großen Koalition angesehen würde. Und der Aufstieg von Frank-Walter Steinmeier bringt einen möglichen innerparteilichen Gegner mit Blick auf die Entscheidung, wer Frau Merkel bei den Wahlen im Jahr 2009 herausfordern soll."

Der "Tages-Anzeiger" (Zürich)

"Sein Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt ist ein Signal: Der Vizekanzler trägt eine Regierungspolitik, bei der eiskalt Parteikalkül über das Gemeinwohl gestellt wird, nicht mit. Auch wenn Müntefering versichert, dass er nur wegen seiner kranken Frau zurücktrete, stürzt er Merkels Regierung in eine Krise. (...) Münteferings Abgang markiert den Wendepunkt der Regierung Merkel. Zwei Jahre lang hat er mit der Kanzlerin versucht, das Land voranzubringen. Mit kleinen Schritten, auch mit Fehlschlägen - aber sachorientiert. Nun verlässt einer der stärksten Politiker Deutschlands die Regierung; einer, dessen Politik ein Ziel kannte und der glaubwürdig für seine Linie eintreten konnte. Nach ihm, so ist zu befürchten, werden Krawall und Klientelpolitik die Arbeit dieser Regierung prägen." (APA/dpa)