Paris - In Frankreich ist eine erste Bahngewerkschaft aus der Streikfront ausgeschert. Die Gewerkschaft CFDT erklärte am Freitagabend, sie werde die Streiks "aussetzen". "Im Gegenzug" verlangte die Arbeitnehmervertretung von der Regierung "den sofortigen Beginn von Verhandlungen" über die Reform der Frühpensionen bei Staatsbetrieben. Die CFDT ist bei der Staatsbahn SNCF die viertgrößte Arbeitnehmervertretung und vertritt generell einen moderaten Kurs. Damit beteiligen sich noch sechs Gewerkschaften an dem Streik, der am Dienstagabend begonnen hatte.Die Mehrheit der Bahngewerkschaften rief bei Betriebsversammlungen dazu auf, die Arbeit auch am Samstag ruhen zu lassen. Der harte Kern der Basis lehnte Verhandlungen über die geplante Abschaffung der Frühpension in Staatsbetrieben ab. Obwohl sich deutlich weniger Beschäftigte am Ausstand beteiligten als am ersten Tag, herrschte vor allem in Paris weiterhin Verkehrschaos.

"Die Basis rebelliert", titelte die linke Tageszeitung "Libération". Den Eisenbahnern gingen die Zugeständnisse zu weit, welche die Gewerkschaftsbosse an die Regierung gemacht hatten. Mehrere Gewerkschaftsführer zeigten sich in den vergangenen Tagen zu Verhandlungen von Staatsbetrieb zu Staatsbetrieb bereit, wenn dabei Regierungsvertreter mit am Tisch sitzen. Bis dahin hatten die Gewerkschaften umfassende Gespräche für alle betroffenen Branchen zusammen verlangt.

Streik droht in die nächste Woche zu gehen

Arbeitsminister Xavier Bertrand verurteilte den Versuch von Streikposten, arbeitswillige Bahnmitarbeiter an der Arbeit zu hindern. Die Regierung werde erst dann an Verhandlungen teilnehmen, wenn die Gewerkschaften zum Ende des Streiks aufriefen, sagte Bertrand. Sieben der acht französischen Eisenbahnergewerkschaften riefen aber dazu auf, den Ausstand um 24 Stunden bis Samstag zu verlängern. Der Streik drohte damit in die kommende Woche zu gehen, in der auch die Lehrer und Beamten aus Protest gegen Stellenstreichungen im Öffentlichen Dienst ihre Arbeit niederlegen.

Zusätzlich tausend Busse

Bei der Staatsbahn SNCF fuhren auch am Freitag nur jeder dritte Hochgeschwindigkeitszug und die Hälfte der Regionalzüge. Von den Pendlerbahnen im Großraum Paris standen etwa zwei Drittel still. In der Pariser Innenstadt entspannte sich die Lage leicht, nicht zuletzt weil die Verkehrsbetriebe zusätzlich tausend Busse für den Schienenersatzverkehr einsetzten. Von den regulären Bussen fuhr nur etwa jeder dritte. Für Samstag kündigten die Verkehrsbetriebe RATP erneut starke Störungen an.

Auch Reisende aus Österreich betroffen

Der Streik betrifft auch Reisende aus Österreich. Die einzige Direktverbindung zwischen Österreich und Frankreich führt von und nach Straßburg. Züge in die elsässische Hauptstadt verkehren laut ÖBB nur bis Karlsruhe. Zwischen Karlsruhe und Kehl sind Ersatzzüge im Einsatz, zwischen Kehl und Straßburg gibt es einen Busverkehr.

Im Großraum Paris entstand in der Früh rund 250 Kilometer Stau, weil viele Berufstätige mit dem Auto zur Arbeit fuhren. Am Pariser Pendlerbahnhof Saint Lazare verhinderten Streikende, dass Ersatzzüge die Depots verließen. Einige Eisenbahner stellten sich auf die Gleise und zündeten Kracher und Rauchbomben. Während bei der SNCF am Mittwoch noch zwei von drei Beschäftigten in Ausstand getreten waren und am Donnerstag knapp die Hälfte der Mitarbeiter, streikte am Freitag nur noch jeder dritte Bahnbeschäftigte.

Praktisch beendet war der Streik dagegen bei den Energiekonzernen EDF und GDF, wo nun Verhandlungen über die Frühpensionen beginnen sollen. Falls der Eisenbahnerstreik über das Wochenende andauern sollte, könnten die Proteste gegen die Reformpolitik von Präsident Nicolas Sarkozy mit dem Lehrer- und Beamtenstreik am Dienstag neuen Schwung erhalten. Daneben schwelen auch Proteste an den französischen Universitäten wegen der Hochschulreform der Regierung. (APA)