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Ehud Olmert: Annapolis, aber nicht zu viel davon.

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Mahmud Abbas: Partner mit leeren Händen.

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Die Entscheidung, ob in Kürze in Annapolis der erhoffte Schritt zur Wiederaufnahme von israelisch-palästinensischen Verhandlungen gesetzt werden wird, steht unmittelbar bevor. Der Wille besteht, aber wie weit reicht er?

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Es gibt keine Konferenz, und es gibt keinen Termin - aber der Countdown dazu hat begonnen. Noch immer ist der 27. November für das israelisch-palästinensische "Treffen", wie es nur heißen darf, in Annapolis, Maryland, im Rennen, worauf dann, wahrscheinlich am 17. Dezember, eine Palästina-Geberkonferenz in Paris stattfinden sollte. Sie ist eine Kreation des neuen Nahost-Vermittlers Tony Blair, der seine Palästina-Projekte noch vor Annapolis bekanntgeben will.

Am 22. November treffen sich in Kairo die Außenminister der Arabischen Liga, um die Teilnahme der Araber zu bereden - sie haben Bedenken, dass eine Normalisierung mit Israel inszeniert werden soll, ohne dass die Palästinenser etwas dafür bekommen.

Aber immerhin, es tut sich etwas. Wurde zu Wochenbeginn laut "Krise" geschrien - vor allem bei den Palästinensern, die eine Gesprächsrunde absagten, nachdem Unterhändler Ahmed Korei auf dem Weg zu Außenministerin Zipi Livni an einem israelischen Checkpoint festgehalten wurde, laut Israelis ein Versehen, laut Palästinensern eine Schikane -, so schien am Mittwoch die Sache wieder in Fluss zu kommen. Wobei klar ist, dass Israelis und Palästinenser nicht mit "Prinzipien" für eine Friedenslösung nach Annapolis gehen werden, wie die Palästinenser ursprünglich wollten, sondern, nach israelischem Willen, mehr oder weniger mit einer Aufzählung der zu lösenden Kernpunkte.

Insofern ist der Vergleich mit Camp David im Sommer 2000, wo Yassir Arafat und Ehud Barak mit weitreichenden Konsequenzen scheiterten, verfehlt. Es gibt aber doch Parallelen: vor allem die Einschätzung - die sich in Camp David als richtig erwies -, dass gar kein Treffen besser wäre als ein schlecht vorbereitetes, eines, das zur "photo opportunity" verkommt. Dramatisch sind die Prognosen, was ein Scheitern diesmal für die Palästinenser bedeuten würde: Der israelische Geheimdienst sagt für den Fall das Ende von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas voraus.

Man könnte sogar meinen, dass es das Aus für die Fatah im Westjordanland wäre. Ob es im umgekehrten Fall - also bei Erfolg - das Ende der Hamas im Gazastreifen zumindest einläuten würde, bleibt zu sehen. Insofern besteht das Paradoxon, dass bei aller lauten Klage über die Spaltung der Palästinenser im Moment kein Interesse an deren Rückgängigmachung besteht: würde sie doch eine Rückkehr zur Situation nach den palästinensischen Wahlen bedeuten - was Verhandlungen unmöglich machen würde.

Nicht viel zu bieten

Und so hat Israel im Moment eben unbestreitbar einen, wenn auch fragilen, Gesprächspartner - der nicht viel zu bieten hat, vor allem nicht die Sicherheit, die Israel braucht. Aber politischer Riese ist ja Israels Premier Ehud Olmert auch keiner, euphemistisch gesagt. Er wird gestoßen und wieder zurückgezerrt (wieder hat man manchmal den Eindruck, dass die israelische Armee mehr politisches Gewicht hat, als sie in einer Demokratie haben sollte ...).

Der Hauptantrieb kommt jedenfalls von jenseits des Atlantik: vom nahenden Ende der Amtszeit von Präsident George Bush. Der US-Druck findet außerdem zu einer Zeit statt, wo Israel seinerseits von Washington dringend etwas will: Dauerprügel für Teheran wegen dessen Atomprogramm.

Aber abgesehen von den tagespolitischen Befindlichkeiten stellt sich selbstverständlich die Frage, ob, wenn man sich - wie ja auch die moderatere israelische Rechte - für einen Palästinenserstaat entschieden hat, diese Lösung ewig aufschiebbar ist. Die Vorstellung, mit den Palästinensern (das heißt, mit einer demografischen palästinensischen Mehrheit) in einem gemeinsamen Staat sitzen zu bleiben, befeuert den Verhandlungswillen wohl mehr als alles andere.

Der Weg zur unbekannten Lösung

Aber wie soll es gehen? Detaillierte Lösungsvorschläge wurden ja in der Vergangenheit diverse ausgearbeitet (die - anders als das offizielle israelische Narrativ behauptet - nicht an den Palästinensern allein gescheitert sind). Heute ist man längst wieder zurückgeworfen auf die Frage, wie der Weg zur noch unbekannten Lösung aussieht.

Viel Neues ist den Annapolis-Vorbereitern da nicht eingefallen, aber immerhin gibt es Flexibilität innerhalb des Rahmens, den die bereits totgesagte Roadmap des Nahost-Quartetts (USA, Russland, UNO, EU) steckt. Laut Roadmap waren ja gewisse Schritte zu erfüllen, und bei Nichterfüllung steckte alles fest: Die Abfolge war entscheidend. Die klassische Nichterfüllung war (und ist), dass die Palästinenserbehörde "die terroristische Infrastruktur" (ein unendlich dehnbarer Begriff) nicht in den Griff bekommt. Bisher war das der Grund für Israel, seinerseits nichts zu implementieren.

Aber am Mittwoch kam die Meldung, dass Israel nun zu einem Einfrieren des Siedlungsbaus bereit ist - die israelische Delegation, die derzeit in Washington weilt, soll ja laut Ha'aretz unter anderem klären, dass die großen Siedlungsblöcke davon ausgenommen sind (von denen jeder weiß, dass sie nicht einem Palästinenserstaat zugeschlagen werden, immerhin gibt es da auch die Bush-Zusage von 2004 an Ariel Sharon).

Wichtiger ist vielleicht noch, was Olmert zu Wochenbeginn vor einem Knesset-Komitee sagte: Die Endstatus-Verhandlungen mit den Palästinensern könnten beginnen, bevor die Roadmap Schritt für Schritt umgesetzt würde. Allerdings wäre dann wiederum die Umsetzung des Resultats der Endstatus-Verhandlungen, sollte es sie geben, von der Umsetzung aller Roadmap-Schritte (allen voran wieder die "Terrorinfrastruktur") abhängig. Israel behält das Heft in der Hand.

Palästinensische Angst

Aber immerhin: Olmert ist bereit, einen Preis dafür zu zahlen, dass er nicht schon vor Annapolis die Prinzipien einer Einigung genannt haben will. Und sein Angebot kommt auch einer großen palästinensischen Angst entgegen: dass Israel, falls Phase eins der Roadmap steckt, Phase zwei vorziehen und einen palästinensischen Staat nach israelischem Entwurf quasi abstoßen könnte. Wo die Grenze verlaufen würde, kann sich jeder vorstellen, nämlich entlang des "Sicherheitswalls", der die 1967er-Linie nach israelischen Bedürfnissen "korrigiert".

Wobei die Grenzen bei näherer Betrachtung das mindere Problem sind (obwohl die Vorstellungen darüber, wie viel Israel vom Westjordanland abzwacken darf, noch stark differieren). Da bleibt die Frage der Rückkehr der Flüchtlinge - von der die Palästinenser genau wissen, dass sie nie stattfinden wird, das aber jetzt nicht so festgehalten haben wollen, worauf Israel prompt von ihnen eine Anerkennung Israels als "jüdischer" Staat verlangt, was auf das Gleiche herauskommt. Natürlich geht es dabei auch um Geld - die Rechnung für Entschädigungen, die bei Anerkennung von Rechten fällig werden, wird ohnehin woanders, etwa in der EU, gezahlt werden.

Dann ist da die Jerusalem-Frage - wo die Knesset am Mittwoch eine Gesetzesinitiative begonnen hat, mit der die Latte für eine Status-Änderung höher (Zwei-Drittel-Mehrheit) gelegt würde. Diese Änderung wäre nötig, wenn man den Palästinensern Ostjerusalem (was auch immer davon, da gibt es viele Varianten) als Hauptstadt zuspricht, wieder eine Conditio sine qua non, diesmal bei den Palästinensern. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 15.11.2007)