Albert Kaufmann

Die Vorgeschichte ist bekannt: Statistisch wird alle vier Wochen in Deutschland ein Mensch durch Neonazis zu Tode gebracht. Auch in Österreich nehmen neonazistische und fremdenfeindliche Gewalttaten zu: Um 55 Prozent innerhalb von zwei Jahren. Ein immer dichter gewobenes Spinnennetz von rechten Gruppierungen breitet sich krakenartig in Europa aus. Nach jahrelanger Verharmlosung beziehungsweise Tabuisierung des Problems scheint das Thema nun stärker in das öffentliche Bewusstsein zu dringen.

Wenn bereits ein dreijähriges Kind aufgrund seiner dunkleren Hautfarbe durch die Stahlkappenschuhe 100 kg schwerer Neonazischläger malträtiert wird, scheint das Verständnis auch bei vielen nicht ausländerfreundlichen Österreichern ein Ende zu haben. Doch was tun? Und wie schon seit Jahren beginnt dasselbe Ritual. Nach allgemeiner Ratlosigkeit werden einige Experten befragt, die dann ihre Rezepte anpreisen. In erster Linie sind dies verlegene Versuche, mit einem herkömmlichen informatorisch-aufklärenden Ansatz mit vorwiegend kognitiver Wissensvermittlung, Rechtsextremismus zu begegnen.

Karibische Segeltrips helfen nichts

In Anbetracht des gewaltigen Aggressionspotenzials der vorwiegend männlichen rechtsextremen Jugendlichen ein hoffnungsloses Unterfangen. Auch erlebnisorientierte Ansätze mit affektiver Akzentuierung, die sich an den "kommunikativen Bedürfnissen" von Heranwachsenden und an den Wünschen nach "Entfaltung und Sinnlichkeit" von gewaltbereiten jungen Männern orientieren, hat sich als unzulänglicher und zynischer Unsinn erwiesen. So schaukelte man straffällig gewordene rechtsextreme Gewalttäter in Begleitung von Sozialpädagogen auf Segelschiffen durch die Karibik, um ihre "nicht erfüllten Sehnsüchte" aufzugreifen und ihnen "solidarische statt autoritäre Strukturen" anzubieten.

Gewissensinstanz außer Kraft

Der Effekt war freilich gering. Die Nazibuben ließen es sich gut gehen und wurden allesamt rückfällig. Dabei ist die Sache gar nicht so schwierig wie sie sich darstellt. Beim partiellen Zusammenbruch normativer Ordnungsstrukturen gibt es nur einen probaten Weg: Nämlich die Einsicht der Gesellschaft, dass es sich bei Neonazis um Männer handelt, die mörderische Hassgefühle in sich tragen, die sie nicht kontrollieren können oder wollen. Mit solchen Leuten zu diskutieren hat überhaupt keinen Sinn, weil ihre psychopathologische Situation im Sinne einer kollektiven Intelligenzhemmung eine Reflexion gar nicht zulässt. Die Gewissensinstanz, die bei normalen Menschen als Bremse fungiert, ist bei dieser Täterspezies außer Kraft gesetzt.

Der Neonazi versteht nur konkrete Handlungen, und man muss ihm durch kontinuierliche Repression klar machen, welche Grenzen er nicht überschreiten darf. Intrinsisch motivierte moralische Koordinatensysteme sind bei ihm nicht vorhanden und müssen durch harte äußere Leitsysteme kompensiert worden. Im Sinne der Grundsätze der Verhaltenstherapie muss der neonazistische Schläger unmittelbar nach seiner Verfehlung, gleichsam in einem Dressurakt abgerichtet werden (im umgekehrten Sinn der etymologischen Bedeutung ab-richten - vom rechten Weg abbringen).

Da die Opfer rechtsextremer Gewalt - und dies ist der Unterschied zur linksextremen Gewalt - sozial immer unter den Tätern stehen, d.h. schwach, ängstlich oder hilflos erscheinen, kann die Projektion nur aufgehoben werden, in dem sich das Opfer, sprich die Gesellschaft demonstrativ aggressiv wehrt. Es ist Unsinn, wenn Politiker die Bürger jetzt zu vermehrter Zivilcourage aufrufen. Denn es ist niemandem zuzumuten, sich heroisch einer entfesselten Raubtierbande entgegen zu stellen. Sehr wohl machbar ist es aber, zum heute allgegenwärtigen Handy zu greifen und jede Form von Bedrängung, Nötigung, Beleidigung oder gar Tätlichkeit der Polizei zu melden, die spätestens nach der Ermordung von Polizisten durch Neonazis selbst durchaus gewillt ist, dem rechtsextremen Pöbel entgegen zu treten.

Erbärmliche Erklärungsversuche

Man sollte nie vergessen, dass Rechtsextreme Feiglinge und nur in der Horde stark sind und die nur durch schärfste Ablehnung begreifen, dass sie einen gewissen Weg nicht verlassen dürfen. Die erbärmlich peinlichen Erklärungsversuche eines leitenden Beamten der Staatspolizei bezüglich der Insuffizienz der Behörden (in der letzten Sendung "Thema") könnte von Rechtsextremen als weitere Ermunterung aufgefasst werden. Vielmehr sollte man sich am expressiven Spürinstinkt der Künstler der österreichischen Popgruppe EAV orientieren, die in einem ihrer Liedtexte meinen: "Eierkopf-Rudi, eine auf die Birn'!"
Mag. phil. Albert Kaufmann, Sozialpädagoge, ist Leiter der Otto-Möbes-Akademie der AK