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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Aussenminister Frank-Walter Steinmeier trafen sich zu einem ersten Gespräch über die neue Zusammenarbeit.

Foto: AP/Michael Sohn
Mittwochvormittag, Kanzleramt: Bei der Kabinettssitzung bleibt der Stuhl neben Bundeskanzlerin Angela Merkel zunächst leer, dann nimmt ein Staatssekretär aus dem Arbeitsministerium Platz. Franz Müntefering, der am Dienstag als Vizekanzler und Arbeitsminister zurücktrat, ist schon nicht mehr dabei, sondern bei seiner krebskranken Frau.

Olaf Scholz, der ihm als Arbeitsminister nachfolgt, ist noch nicht angelobt. Mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier zieht sich Merkel danach zum Vier-Augen-Gespräch zurück. Schließlich ist er als neuer Vizekanzler ihr künftiger Hauptansprechpartner in allen Koalitionsfragen. Steinmeier versichert, die Arbeit in der großen Koalition werde geordnet weitergehen.

Doch in der SPD gärt es. Im Laufe des Tages wird die Bestürzung über Münteferings Abgang immer stärker durch Wut auf Merkel verdrängt. Wut und Frust – weil sie beim Mindestlohn für Postdienstleister nicht nachgibt und damit ein Herzensthema der Sozialdemokraten blockiert.

"Rote Linie" erreicht

„Die Union weiß, dass hier eine rote Linie markiert ist und dass sie sich das in Zukunft nicht mehr leisten kann“, warnt SPD-Generalsekretär Hubertus Heil mit Blick auf die gescheiterten Mindestlohn-Gespräche. Auch Fraktionschef Peter Struck macht deutlich, dass der Personalwechsel in der SPD auch mit einer härteren Gangart verbunden sein wird: „Ich weiß genau, es wird immer wieder Streit geben mit der Kanzlerin, mit der CSU/CSU-Fraktion. Aber wir werden in diesen Fragen nicht nachlassen und nicht nachgeben.“ Andrea Nahles, die neue SPD-Vizechefin, erklärt ebenfalls: „Ich glaube, dass die Schonfrist für Frau Merkel wirklich vorbei ist.“ Die SPD erbost, dass die Union nur acht Euro Mindestlohn für Postdienstleister gewähren und nicht die von Post und Gewerkschaft ausgehandelten acht bis 9,80 Euro pro Stunde für die ganze Branche verbindlich festschreiben will.

Kritik an Beck

Die harschen Töne aus der SPD alarmieren die Union. Norbert Röttgen (CDU), Geschäftsführer der Unions-Fraktion, erinnert daran, wofür Müntefering (nebst Mindestlohn) noch eingetreten ist: „Dass die SPD diese große Koalition wollen soll und dass sie sich mit ihren Erfolgen auch identifizieren soll.“ Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) kritisiert die Entscheidung von SPD-Chef Kurt Beck, nicht selber ins Kabinett zu gehen: „Ich befürchte, dass er nicht der Versuchung widerstehen kann, aus der Koalition heraus Opposition zu machen.“

Beck nennt am Mittwoch einen weiteren Grund, warum er lieber Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz bleibe, statt nach Berlin zu gehen: „Wenn man Minister ist unter einer Bundeskanzlerin, dann kann man zumindest theoretisch entlassen werden, und das stärkt einen nicht unbedingt.“ (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 15.11.2007)