Wien - Keine konkreten Finanzierungsvorschläge in Sachen Wiesenthal-Institut und Sanierung jüdischer Friedhöfe gab es am Mittwoch im Ministerrat. Die Regierung bekennt sich zur Errichtung eines solchen Instituts als wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der österreichischen Geschichte, über die Finanzierung sollen aber erst Verhandlungen geführt werden, sagte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer nach der Regierungssitzung - Zeitplan für diese Verhandlungen wurde keiner genannt.

Thema jüdische Friedhöfe

Ähnlich sieht es auch bei der Sanierung und Erhaltung jüdischer Friedhöfe aus. Der Bund werde zum geeigneten Zeitpunkt mit Ländern und Gemeinden Verhandlungen über die Finanzierung aufnehmen, heißt es im entsprechenden Ministerratsvortrag. "Wann ist der geeignete Zeitpunkt? Wenn es die Gräber nicht mehr gibt? 70 Jahre sind nicht genug und sechseinhalb Jahre nach dem Vertrag sind auch nicht genug?", reagierte Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), mit scharfer Kritik auf den Ministerratsbeschluss, den er als "glatten Vertragsbruch" hinsichtlich der Washingtoner Vereinbarung bezeichnete. Er kündigte "breit angelegte Aktivitäten" der IKG in Österreich und im Ausland an, sollte es zu keiner Lösung in dieser Frage kommen. Muzicant verlangt einen Vertrag, der die Pflege durch Bund, Länder und Gemeinden klar regelt.

"Das, was bei den Friedhöfen hier gemacht wurde, ist aus der Tatsache heraus, dass diese Friedhöfe 70 Jahre zum Teil verfallen sind und zerstört wurden, ein Skandal", so Muzicant. Die österreichische Bundesregierung sei vor sechseinhalb Jahren eine Verpflichtung eingegangen, bis heute seien keine echten Schritte unternommen worden. Hauptkritik: "Nach dem Krieg beschloss man ein Kriegsgräberpflegegesetz. Das heißt, die Gräber der gefallenen SS- und Wehrmachtssoldaten werden gepflegt. Die Gräber der Juden, deren Angehörigen man vertrieben und ermordet hat, lässt man verfallen."

Weiters im Regierungsvorhaben enthalten ist der Passus, wonach der "jeweilige Rechtsträger des Friedhofs" - also die IKG - für einen angemessenen Anteil aufkommen soll. "Jetzt sollen die 7.000 Juden, die es in Österreich noch gibt, die 350.000 Gräber ihrer Vorväter auch noch pflegen? Nachdem man die, die sie bis 1938 gepflegt haben, beraubt, getötet und vertrieben hat?", so Muzicant: "Ich halte diesen Beschluss für eine Provokation erster Ordnung." (APA)