New York – Je höher die Erwartungen, desto herber die Enttäuschung? Trotz der vergangene Woche in New York für Impressionist & Modern Art eingespielten gigantischen Umsätze – Sotheby’s 331,49 Millionen Dollar, Christie’s 472,97 Millionen Euro – ist der detaillierte Blick nicht unerheblich. Dass der New Yorker Markt erstmals Anzeichen eines Schwächelns vermuten lässt, widerlegt Christie’s. Dass die Gunst des Publikums schon mal nachlässt, führte dagegen Sotheby’s vor Augen. Allein für den Evening Sale hatten sich die unteren und oberen Taxen auf 355,2 bis 494,2 Millionen Dollar belaufen, von denen 269,74 Millionen realisiert wurden.

Noch 2006 wäre dies ein beachtliches Resultat gewesen. In der unentwegt nach neuen Rekorden lechzenden Atmosphäre kommt die Verkaufsquote von knapp 74 Prozent marketingtechnisch fast einem Desaster gleich. Der besondere Wermutstropfen für Sotheby’s, für fünf der 20 Retourgeher hatte man Preisgarantien in der Höhe von 48,7 bis 62,6 Millionen Dollar erteilt, darunter auch für van Goghs mit 28 bis 35 Millionen Dollar taxiertes The Fields von 1890. Selbst den höchsten Zuschlag erteilte man unter den Erwartungen (40–60 Mio $) für Paul Gaugins Te Poipoi (Le Matin): 39,24 Millionen ließ der Hongkonger Milliardär Joseph Lau für das Titellos der Sitzung springen.

Pablo Picassos Tête de femme (Dora Maar) setzte man mit 29,16 Millionen Dollar zum Weltrekord, während vier seiner Gemälde im Wert von 37 bis 53 Millionen Dollar nun im Lager auf Abholung der Einbringer warten. Ein Trostpflaster lieferte dafür österreichische Kunst. Für alle fünf aus der Sammlung Nebehay angebotenen Arbeiten Egon Schieles fiel der Hammer, bei seinem Selbstbildnis nicht ganz unerwartet sogar in Rekordhöhe bei 11,35 Millionen Dollar. Insgesamt steuerte die Nebehay-Kollektion 17,94 Millionen Dollar zur Bilanz bei. Auch bei Christie’s blieben 17 Werke liegen, von denen man vier mit einem Taxenvolumen von 20,5 bis 28,5 Millionen Dollar mit einer Garantie ins Rennen geschickt hatte. Was auffällt? Viele der nicht verkauften Kunstwerken waren in den 80er- und 90er-Jahren bei Auktionen erworben worden: Bei Christie’s macht dieser Anteil 29 Prozent von den Retourgehern aus, bei Sotheby’s sogar 55 Prozent.

Aber selbst diese Fakten lassen keine seriösen Rückschlüsse zu. Denn Marktfrische scheint nicht immer ein relevantes Kriterium zu sein: Henri Matisses L’Odalisque (1937) hat aktuell die erste Runde auf dem Auktionsparkett gedreht und den Weltrekord von 33,64 Millionen Dollar gebracht. Aber Modiglianis Porträt des Bildhauers Oscar Miestchaninoff, mit 30,84 Millionen Dollar das zweithöchste Resultat des Abends, hatte dem jetzigen Einbringer einen stattlichen Gewinn gebracht. 1995 hatte er es bei Christie’s in New York für nur 8,5 Millionen Dollar erworben. (kron / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.11.2007)