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Höchstwahrscheinlich eine Amati um 500.00 Euro

Foto: REUTERS/Herwig Prammer
Im Prozess um die gestohlene Stradivari wagte der Sachverständige nicht, ein Echtheitszertifikat für die Geige zu geben. Die drei Angeklagten wurden dennoch zu hohen Haftstrafen verurteilt - Von Wolfgang Weisgram

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Eisenstadt - Angeklagte werfen manches Mal - und das zu tun, ist ihr gutes, wenn auch von der Justiz dann zu bewertendes Recht - die Nebelmaschine an. Sind es drei, wie in dem gestern am Eisenstädter Landesgericht verhandelten Fall, dann richten sie die Nebelwerfer natürlich auch aufeinander. Und sind sie noch dazu der deutschen Verhandlungssprache nicht mächtig, geht deshalb die Einvernahme über die Bande der Dolmetscherin, dann kann es schon passieren, dass der eine oder andere im Richtersenat die Achseln zuckt.

Ominöse vierte Person

Die drei - einschlägig vorbestraften - Georgier, die im Mai des heurigen Jahres das mit Blödheit durchaus erklärbare, kriminelle Pech hatten, aus dem Wohnungstresor des Musikers Christian Altenburger zwei sündteure, weithin berühmte Geigen zu stehlen, agierten genauso. Statt die von der Polizei ermittelten Sachbeweise - DNA-Spuren, Fingerabdrücke, Überwachungsvideos, sichergestelltes Diebsgut - in eine nachvollziehbare Erzählung zu verpacken, erlaubten sie sich den doch recht irrwitzigen Schlenkerer, eine vierte Person, einen mysteriösen "Gotscha", als eigentlichen Anstifter darzustellen. Dummerweise ließ sich des Gotschas reale Existenz durch nichts erhärten, nicht einmal durch die Aussagen der Angeklagten, die ihn einmal als "mittelgroß, kurzhaarig und blond", das andere Mal als "groß, mittellange Haare und dunkelhaarig" beschrieben.

Angeklagt waren die drei, von denen sich nur einer im vollen Umfang für schuldig erklärte, wegen einer sehr emsigen Einbruchserie. Zehn Einbrüche, allein im Mai 2007, alle nach dem selben Muster: eine Kassette der Türfüllung herausgeschnitten, eingestiegen, von innen geöffnet und die Tür wieder soweit repariert, dass man die Wohnung in aller Ruhe durchsuchen konnte.

Zur falschen Zeit am falschen Ort

Das ganze war, nähme man die kriminelle Perspektive als die zu beschreibende, durchaus erfolgreich. Bis zu jenem verhängnisvollen Einbruch, bei dem die drei - so beschrieb es Staatsanwalt Martin Ulrich - "im doppelten Sinn zur falschen Zeit am falschen Ort waren".

Stradivari war unverkäuflich

Denn bald schon war den Männern klar: "Die Stradivari", die sie trotz ihres Standorts im Tresor als Geige für 1000 bis 2000 Euro mitnahmen, war unverkäuflich. Und als sie aus den Medien erfuhren, dass Interpol sich eingeschaltet habe, wollten sie das gute Stück gemeinsam mit der ebenfalls entführten Geige, einem ebenfalls sehr erlesenen Stück des Geigenbauers Jean-Baptiste Vuillaume, zurückschicken. Ein entsprechender Brief sei bereits verfasst worden.

Stradivari ist keine Stradivari

Die Stradivari, die Christian Altenburger unversehrt wieder zurückbekam, ist allerdings höchstwahrscheinlich gar keine, oder, wie Gutachter Peter Tunkowitsch ausführte, "höchstens eine sehr frühe". Seiner Meinung nach sei es eine Geige aus der Fabrikation der Familie Amati, bei der Stradivari zwar jahrelang gelernt habe, das gestohlene Stück sei aber, stamme es tatsächlich vom jungen Stradivari, eines, das man höchstens als "auf dem Weg zu einer Stradivari" bezeichnen könnte. Wert: um die 500.000 Euro. Als "Stradivari" wäre sie 2,5 Millionen wert.

Für den Schöffensenat unter der Vorsitzenden Andrea Rosensteiner war diese Frage aber nur eine unter vielen.

Hohe Haftstrafen

Nach kurzer Beratung wurden die Angeklagten zu teils hohen Haftstrafen verurteilt. Zwei der Täter wurden zu sechs, einer zu fünf Jahren unbedingter Haft verurteilt. Zusätzlich aber leben bei zwei der Verurteilten bedingte Verurteilungen und Entlassungen wieder auf. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (Wolfgang Weisgram/ DER STANDARD Printausgabe 15.11.2007)