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Marios Schwabs Kleider ähneln anatomischen Untersuchungen. Wie gut, dass sie dabei ziemlich sexy aussehen.

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Raf Simons designt mittlerweile für Jil Sander, Bruno Pieters für Hugo, Haider Ackermann ist eine Fixgröße auf den Modeschauen in Paris. Alle drei gehören genauso zur internationalen Modewelt wie High-Heels und Zickentum. Und alle vier haben den Swiss Textiles Award gewonnen - da waren sie aber bei weitem noch nicht so bekannt wie heute.

Auf ihrer Karriereleiter war der am vergangenen Wochenende zum achten Mal vom Schweizer Textilverband vergebene Preis ein wichtiger Schritt. Schließlich beträgt das Preisgeld stolze 100.000 Euro - lange war das die höchste Summe, die man bei einem Modewettbewerb kriegen konnte. Seit kurzem gibt es den mit 300.000 Euro dotierten Mango Fashion Award. Noch kann der neue mit den Eidgenossen aber nicht konkurrieren. In Zürich spielt wirklich die Mode die erste Geige.

Die Shortlist

Selbst Stars (heuer war Tommy Hilfiger da) ordnen sich der Förderung der Designtalente unter. Newcomer sind sie allesamt nicht. Nur wer bereits mindestens vier Mal auf einem internationalen Defilee gezeigt hat und einen guten Ruf in der Fashion-Community hat, darf überhaupt nominiert werden. Das erledigt eine 16-köpfige internationale und ziemlich eindrucksvolle Expertenjury. Sich selbst ins Spiel bringen kann man nicht. Umso bemerkenswerter (aus österreichischer Sicht) die heurige Shortlist. Die Wiener Männermodemacherin Ute Ploier war genauso unter den sechs Finalisten wie der in London lebende österreichisch-griechische Designer Marios Schwab und das Konzeptduo Bless (die eine Hälfte davon, Desiree Heiss, ist Österreicherin). Das spiegelt die prosperierende kreative Modeszene in diesem Land wider. Die weiteren Finalisten: der englische Modeschocker Gareth Pugh, die mit Dekonstruktionen spielende Ann-Sofie Back und der in Paris lebende Portugiese Felipe Oliveira Baptista. Eine Auswahl, die mit sicherer Hand einige der interessantesten derzeitigen Modetalente vereint.

Dass am Ende Marios Schwab das Rennen macht, war für Insider ein wenig vorhersehbar. An ein Konzeptlabel wie Bless (es zeigte eine sehr starke, vom Wiener Markus Strasser gestylte Kollektion) verlieh die vor allem aus Einkäufern und Journalisten zusammengesetzte internationale Jury den Preis noch nie, die wirtschaftlichen Zukunftsaussichten sind hier wohl schlichtweg zu vage. Dasselbe gilt für den am Theater geschulten und in London sehr gehypten Schotten Gareth Pugh. Ein wichtiges Kriterium der Entscheidungsfindung - so der Sprecher für den Schweizer Textilverband - ist Verkäuflichkeit. Und genau an diesem Punkt müssen sich viele Kreative erst beweisen.

Wissenschaftlicher Zugang

Ute Ploier hat das bereits. Leider gehört ihre schlichte Frühjahrs-/Sommerkollektion, mit der sie zum Wettbewerb antrat, nicht zu ihren stärksten. Anders liegt die Sache bei Marios Schwab. Der in Salzburg, Berlin und London ausgebildete Designer mit österreichischem Vater und griechischer Mutter hat seine "anatomischen" Untersuchungen von Kleidungsstücken auf einem neuen Level unternommen. Wie mit Zirkel und Lineal schneidert er seine zumeist kurzen Kleider auf die Körper der Trägerinnen. Mit Hilfe von Drapierungen, Einschnitten ins Material oder mit Ketten akzentuiert er Taille und Brüste, zeichnet einzelne Muskeln nach, verdeutlicht Silhouetten.

Ein beinahe wissenschaftlicher Zugang zu Mode, ohne ihr die Oberflächenreize zu nehmen. Im Gegenteil: Marios Schwab gilt als Meister für Sexyness. Unter den in den vergangenen Jahren auf dem internationalen Modeparkett erschienenen Designern gilt er als eine der größten Hoffnungen. Jetzt hat er auch die wirtschaftliche Kraft, sein Talent sichtbarer zu machen. (Stephan Hilpold/Der Standard/rondo/16/11/2007)