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Der Patriarch Kardinal Nasrallah Boutros Sfeir soll für die Präsidentenwahl im Parlament eine Namensliste erstellen.

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Beirut - Sechs Tage vor der geplanten Wahl des neuen libanesischen Staatspräsidenten durch das Parlament in Beirut wartet man gespannt auf eine öffentliche Stellungnahme des maronitischen Patriarchen Kardinal Nasrallah Boutros Sfeir. Das geistliche Oberhaupt der stärksten christlichen Gemeinschaft, die aufgrund des institutionellen Religionsproporzes den Präsidenten des Landes stellt, ist einvernehmlich gebeten worden, eine Namensliste konsensfähiger Persönlichkeiten zu erstellen. Auf der Basis eines solchen Vorschlags soll ein Kompromisskandidat für die Nachfolge von Präsident Emile Lahoud gefunden werden, dessen Amtszeit am 24. November endet.

Die libanesische Presse ist sich einig, dass auf der Patriarchen-Liste die Namen des ehemaligen Erziehungs- und Kulturministers Boutros Harb (63), des Chefs der "Demokratischen Erneuerungsbewegung", Nassib Lahoud (62), eines Verwandten des scheidenden Staatsoberhauptes, und des ehemaligen Armeechefs General Michel Aoun (72) stehen müssten, sowie möglicherweise jene von mehreren Unabhängigen. Harb und Lahoud gehören zum pro-westlichen und anti-syrischen Mehrheitsblock, während Aouns "Freie Patriotische Bewegung" (CPL) zusammen mit den Schiitenparteien Hisbollah und Amal das Oppositionsbündnis bildet.

UNO-Generalsekretär zu Vermittlungsgesprächen in Beirut

Kardinal Sfeir führte am Mittwoch in seiner Residenz in Bkerke längere Gespräche mit dem französischen Sonderemissär Jean-Claude Cousseran und dem amerikanischen Botschafter Jeffrey Feltman. Nach den Außenministern Frankreichs und Italiens, Bernard Kouchner und Massimo D'Alema, werden am Donnerstag die Generalsekretäre der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga, Ban Ki Moon und Amr Mussa, in der libanesischen Hauptstadt erwartet.

Die innenpolitische Krise im Libanon wird einerseits vom Konflikt zwischen dem Westen und dem Iran, andererseits vom Nahost-Konflikt im Vorfeld der von den USA vorbereiteten Konferenz in Annapolis bestimmt. US-Außenminister Condoleezza Rice hatte sich zuletzt bei der internationalen Irak-Konferenz in Istanbul ausdrücklich gegen "Kompromisse" mit der von Syrien unterstützten libanesischen Opposition ausgesprochen.

Der für den Nahen Osten zuständige Vize-Außenminister David Welch sagte vor einem US-Kongressausschuss, Washington sei entschlossen, die anti-syrische Mehrheit in Beirut "mit allen Mitteln" zu unterstützen. "Das ist die Stunde der Wahrheit für den Libanon!", betonte Welch, der hinzufügte: "Wir werden alle Mittel einsetzen, um diejenigen zu unterstützen, die eine anständige, gerechte, transparente, verfassungsmäßige Wahl wollen". Die syrische Führung und ihre Geheimdienste werden verdächtigt, hinter einer Serie von Politikermorden im Libanon zu stecken.

"Usurpator"

Die Opposition erklärte ihrerseits, ein nicht in Absprache mit ihr gewählter Kandidat des Regierungslagers wäre von vornherein "illegitim" und würde als "Usurpator" angesehen. Ein einseitiges Vorgehen der Parlamentsmehrheit wäre noch "schlimmer als das politische Vakuum", erklärte Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah auf einer Großkundgebung in Anspielung auf eine entsprechende Warnung des französischen Außenministers Kouchner. Der zur Opposition gehörende schiitische Parlamentsvorsitzende Nabih Berri, der in ständigem Kontakt mit dem sunnitischen Mehrheitsführer Saad Hariri steht, hatte erklärt: "Wir müssen zu einer Einigung gelangen und einen Präsidenten wählen, der die Einheit der Republik verkörpert".

Am 25. September und am 23. Oktober war die Präsidentenwahl nicht zustande gekommen, weil das erforderliche Zwei-Drittel-Quorum der 128 Parlamentsmitglieder wegen des Oppositionsboykotts nicht erreicht wurde. Nach den Bestimmungen der libanesischen Verfassung würden die Funktionen des Staatsoberhauptes am 24. November auf die Regierung als Kollegialorgan übergehen. Diese wird allerdings von der Opposition als nicht verfassungskonform betrachtet, nachdem alle schiitischen Minister zurückgetreten sind. (APA)