Zur Person: Elfriede Hammerl ist Kolumnistin bei profil, stern, Vogue, Cosmopolitan und Kurier.

Foto: Standard/Hendrich

Elfriede Hammerl: "Hotel Mama", Deuticke Verlag

Tipp: Lesung aus "Hotel Mama" am Sonntag, 18.11., um 11:30 Uhr im "Literaturcafé" auf der Wiener Buchwoche (Rathaus).

Buchcover: Deuticke
Wirtschaftsstudent Andreas wohnt bei seinen Eltern, Jus-Studentin Petra gibt ihrer Mutter die Wäsche zum Waschen, und BWL-Studentin Claudia trifft ihre Eltern mindestens dreimal pro Woche zum Mittagessen. Ein kurzer Blick in den eigenen Freundeskreis zeigt: Viele Studenten von heute, die längst erwachsen sind, lassen sich noch gerne von Mama und Papa verwöhnen.

Das ist auch die These, von der Elfriede Hammerl in ihrem neuen Buch "Hotel Mama" ausgeht. Sie sagt, dass für junge Menschen heute nichts mehr dagegen spricht, zuhause zu logieren, ums Auto zu betteln, oder die Enkelkinder an Oma und Opa abzugeben: "In den letzten Jahrzehnten haben Kinder gelernt, sich als demokratische Partner ihrer Eltern zu verstehen. Und da die Alten eh nichts mehr zu melden haben, gibt es auch keinen Grund schnellstmöglich aus der Reichweite der Erzeuger zu fliehen." Anders als etwa in den 70er Jahren, wo das Erreichen der Unabhängigkeit die oberste Prämisse war, genießt es die junge Generation heute, gehätschelt und getätschelt zu werden.

Nesthocker

Hammerl hat 23 Texte - Dialoge, E-Mail-Wechsel, Kurzgeschichten - zu diesem Phänomen geschrieben und im Buch "Hotel Mama" vereint. So zum Beispiel die Geschichte vom Sohn, der zwar glaubt, unabhängig zu leben, dann aber doch regelmäßig ins Haus der Eltern schneit um Geld zu borgen, wie er sagt, das die Eltern aber nicht mehr wieder sehen. Der Sohn aber schwört, es ihnen zurückgeben zu wollen.

Oder das Gespräch zwischen Tochter und Mutter, in dem es ums Möbel einkaufen geht. Die Tochter versteht nicht, warum ihre Mutter nicht bereit ist, an einem bestimmten Tag mit ihr zu Ikea zu fahren, obwohl sie es ursprünglich angeboten hat. Sie kann nicht glauben, dass ihre Mutter noch andere Termine hat: "Warum willst du mich eigentlich nur dann sehen wenn ich keine Zeit habe?"

Nervensägen

Obwohl die Eltern bereit sind, ihr Leben für die Kinder zu opfern, beginnen diese zu nerven und unzufrieden zu sein. Rufen die Eltern zu oft an, um zu fragen, wie es so geht, wird ihnen vorgeworfen, dass sie zu ängstlich sind: "Mama, fällt dir nicht auf, wie peinlich das ist? Ich bin ein erwachsener Mensch, du musst doch nicht panisch hinter mir hertelefonieren, wenn ich mich einmal ein paar Tage nicht melde."

Auch mit den Großeltern haben die Eltern zu kämpfen, denn diese mischen sich gerne in die Erziehung der Kinder ein. In einem Dialog zwischen Großmutter und Mutter wirft die Großmutter der Mutter vor, sich zu wenig um den Enkelsohn zu kümmern, weil sie berufstätig ist: "Hast du vorgekocht? Damit er sich wenigstens etwas wärmen kann, wenn er vor dir heimkommt?"

Unerwarteter Widerstand

Für die Töchter und Söhne ist es unvorstellbar, dass die einzigen, die sich nicht so ganz mit den neuen Familienspielregeln zufrieden zeigen, die Mütter und Väter sind: "Wollen sie gar selbst noch einmal auf die Piste? Aus ganz und gar egoistischen Motiven?"

Hammerl erzählt die Geschichte eines Sohnes, der nach der Trennung von seiner Freundin wieder zuhause einzieht. Er stellt das Leben seiner Eltern auf den Kopf. Nach anfänglicher Freude, den Sohn wieder zuhause zu haben, sehen die Eltern ein, dass sie lieber alleine leben wollen. Sie überlassen ihm das Haus und mieten sich eine Wohnung, um ungestört zu sein.

Ganz deutlich wird die Vereinnahmung der Eltern durch die Kinder im Text "löwenimherbst", wo es um die sich in der Anfangsphase befindende Beziehung zwischen einer geschiedenen Mutter und einem geschiedenen Vater geht. Es zeigt sich: es gibt viele Hindernisse, denn die (erwachsenen) Kinder können und wollen es (anfänglich) nicht akzeptieren, dass die Mutter einen neuen Mittelpunkt im Leben hat.

Was ist nun die Lehre, die man aus dem Buch "Hotel Mama" ziehen kann? Die Eltern müssen heute die Initiative ergreifen, um die Kinder loszuwerden - und nicht mehr umgekehrt. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 16.11.2007)