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Die bunte Warenwelt des Supermarkts bedroht die Nahversorgung im ländlichen Raum.

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Kurzfristige Gegenstrategien setzen auf Subventionen, auf Dauer wird vermutlich nur ein Wirtschaftskonzept helfen, das auf Regionalisierung setzt.

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Innsbruck - Mangel an Arbeitsplätzen, Abwanderung der Jungen und Gebildeten, Ausdünnung der Nahversorgung, Abbau der Infrastruktur, Absterben des Gemeinschaftslebens, weitere Abwanderung - das sind einige der wichtigsten Bestandteile einer negativen Entwicklungsspirale in strukturschwachen ländlichen Gebieten, wie sie Gerlind Weber, Raumordnungsexpertin an der Hochschule für Bodenkultur in Wien, beschreibt. Besonders betroffen von diesem "Raumtyp" sind Gemeinden in entlegenen Tälern ohne zweisaisonalen Tourismus und solche im Umkreis von Zentren.

Zum Beispiel Patsch, ein Dorf mit 875 Einwohnern, zehn Kilometer südlich von Innsbruck. Dort wird ein halbtags offenes Lebensmittelgeschäft mit Zuschüssen der Gemeinde mit Mühe am Leben erhalten. "Aber Gendarmerie, Bank und Post sind schon lange weg", verweist Bürgermeister Burghard Tollinger darauf, dass Nahversorgung viele Facetten hat.

"Es gibt 60 von 279 Tiroler Gemeinden ohne Nahversorger und mindestens doppelt so viele, die gerade noch einen haben", erklärt Tollinger beim erstmals von der Sparte Handel der Wirtschaftskammer organisierten "Nahversorgungstag", der unter anderem Raumplaner, Politiker, Einzelhändler und den Chef der regionalen Supermarktkette MPreis, Hans Mölk, zusammenführte.

Peter Wartusch, Obmann der Sparte Handel, spricht von einem "Bauchfleck des Landes Tirol", weil es in seiner Raumordnungspolitik lange nur Regeln für Einkaufszentren, aber nicht für Supermärkte kannte. Erst seit 2005 sind auch Supermärkte jenseits von 300 m² Verkaufsfläche einer Genehmigungspflicht durch das Land unterworfen.

Mölks MPreis-Kette hat davon profitiert. Jetzt will Mölk in drei Gemeinden ohne Lebensmittelhändler das Modell "Mini-MPreis" mit beschränktem Sortiment erproben. "Das wird sicher kein Geschäft für uns", sagt Mölk. Für Hubert Plunser, der im Sellraintal für 1500 Einwohner das letzte Geschäft betreibt, ein zweifelhaftes Konzept. "Für den Mini-MPreis in Tulfes zahlt das Land einen monatlichen Mietzuschuss von 700 Euro - eine solche Summe würde mir auch sehr helfen."

Immer wieder wird das Beispiel Südtirol bemüht, wo bisher Einkaufszentren vom Land verhindert worden sind und alle Gemeinden noch einen Nahversorger haben. Die strengen Regeln haben aber zu massivem Kaufkraftabfluss nach Norditalien und Tirol geführt und stehen deswegen nun politisch auf der Kippe. Webers Gegenstrategie: "Re-Regionalisierung". Ein Modell, das auf Produktionskreisläufe der kurzen Wege, erneuerbare Energien und Materialien, Verkehrsvermeidung und Bürgerbeteiligung setzt. (Hannes Schlosser, DER STANDARD - Printausgabe, 16. November 2007)