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Personenschutz in Bagdad: Ohne private Sicherheitsfirmen könnten sich Ausländer im Irak nicht bewegen. Für manche Iraker sind sowohl die einen als auch die anderen, die Schützer und die Geschützten, unerwünscht.

Foto: AP/Drobnjakovic
Kein Beruf wie jeder andere: Sicherheitsmann im Irak. So problematisch die Privatisierung der Sicherheit ist, so wenig kann man heute auf die privaten Sicherheitsdienste verzichten. Sie sind die Folge, nicht die Ursache.

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Eines Morgens waren die Sicherheitsleute, die uns für eine Dienstfahrt abholten, sichtlich missgestimmt. Gehaltskürzung, erzählten sie empört. Ihre Firma - eine der großen Sicherheitsfirmen, die im Irak tätig sind - wäre bei einer Ausschreibung beinahe unterboten worden. Um den Kontrakt für den Personenschutz einer großen europäischen Botschaft in Bagdad noch einmal zu bekommen, musste sie Kosten sparen, unter anderem bei den Angestellten. "Ich bin weg", sagte einer der Leibwächter, "für das Geld mache ich es nicht mehr."

Im dritten Jahr nach der Befreiung des Irak wurde es eben knapp, das Geld. Auch die Firma, die für die Sicherheit des Botschaftsgebäudes und -geländes sorgte, kam unter Kostendruck. Ob das eintraf, was uns der Sicherheitsmann prognostizierte - nämlich dass alle erfahrenen, seriösen Mitarbeiter der Firma gehen und junge, unerfahrene und dadurch billigere, vielleicht Abenteurertypen, kommen würden -, erlebten wir in Bagdad nicht mehr mit.

Das Geschäft der Sicherheitsfirmen im Irak ist gut, aber beinhart. Pauschal als Söldner bezeichnet und als Buhmänner benützt, lässt sich eines mit Gewissheit über die Sicherheitsleute sagen: Sie sind die Folge, nicht die Ursache. Sie folgen dem Tross. Und sind plötzlich nicht mehr zu ersetzen - wenn sie abzögen, müssten nicht nur die militärischen "Besatzer", sondern auch viele gehen, die im ganzen Irak zivile Aufbauarbeit leisten.

Keine genauen Zahlen

Die genaue Zahl der Angestellten von Sicherheitsfirmen im Irak ist unklar, auf 180.000 werden sie geschätzt, davon sind aber etwa zwei Drittel Iraker (wovon wiederum ein Teil eher den Namen "Miliz" verdienen würde). Aber auch die ausländischen Firmen kommen ohne irakische Arbeitskräfte nicht aus, etwa für die Aufklärung anzufahrender Ziele, wofür unbedingt Ortskenntnis - und Unauffälligkeit - vonnöten ist. Für den Personenschutz von Ausländern sorgen jedoch Ausländer - hin und wieder kommt die Forderung der irakischen Behörden, sie durch Iraker zu ersetzen, aber so weit reicht das Vertrauen der Ausländer nicht.

Die Privatisierung der Sicherheit ist nicht nur deshalb beunruhigend, weil sie die geltenden Regeln aufhebt - siehe die strafrechtliche Immunität für US-Sicherheitsfirmen. Die Auslagerung der diversen Sicherheitsaufgaben verfälscht auch die Statistiken, die Wahrheit über die finanziellen und die menschlichen Kosten. Die Beteuerungen des Pentagon etwa, dass Blackwater nichts mit dem Krieg im Irak zu tun habe, weil ja nur im Personenschutz für das State Department tätig, sind von der Realität nicht gedeckt. Wo fängt der Krieg an und wo hört er auf?

Zwiespältige Position

Als "Kunde" eines Sicherheitsdienstes im Irak, also als eine Person, die sich von so einer Firma transportieren und beschützen lässt, ist man in einer zwiespältigen Position: Kunde, wie gesagt, aber doch untersteht man einer Autorität, der nur schwer zu widersprechen ist. Bei jeder Fahrt, zumal in die Rote Zone in Bagdad (das heißt außerhalb der abgeriegelten Internationalen Zone), wird einem vom schwer bewaffneten Beifahrer eingeschärft, dass man alle Anweisungen zu befolgen hat. Evakuierung von einem gepanzerten Auto ins andere hat man geübt (mit der Hoffnung, dass im Fall des Falles das "andere" noch fährt ...).

Jede Firma hat ihre eigenen Regeln, aber für den Personenschutz gilt prinzipiell: wechselnde Teams und wechselnde Autos, um nicht erkennbar zu werden. Ein Ziel darf von derselben Person nicht zweimal in einer Woche angefahren werden, das ergäbe ein Verhaltensmuster. Noch komplizierter wird es allerdings, wenn neue, der Sicherheitsfirma unbekannte Ziele angefahren werden, da kann die Vorbereitungszeit dauern, und manchmal heißt es dann am Ende: nein. Hier schafft nicht der an, der zahlt.

Wie immer man generell zur Frage der Sicherheitsdienste steht, die Personen sind sehr unterschiedlich, und je seriöser die Firma ist, desto weniger Rambos werden dabei sein. Natürlich ist es kein Beruf wie jeder andere - gerechterweise wäre aber festzustellen, dass auch ein Ausländer, der in den Irak geht, um ein Elektrizitätswerk zu reparieren, das in den seltensten Fällen aus Liebe zum Land tut, sondern des hohen Verdienstes wegen.

Auch die Amerikaner sind gewiss nicht alle über einen Kamm zu scheren, aber in Bagdad gilt sehr wohl die Regel, sich lieber in die Büsche zu werfen, als entweder der US-Armee oder einer US-Sicherheitsfirma in die Quere zu kommen. Wobei das schon allein ein quantitatives Problem ist: Wo soll seriöses, qualifiziertes Personal zu Zehntausenden herkommen? Und nicht nur Rambotum verleitet zu Überreaktionen, sondern auch die Angst.

State Department gibt 500 Millionen Dollar im Jahr aus

Noch ist jedenfalls die Hoffnung, auf die Sicherheitsfirmen im Irak verzichten zu können, nicht aufgegangen: Das State Department etwa hat für das Jahr 2008 500 Millionen Dollar für private Personenschutzleistungen veranschlagt. Ja, der Dollar rollt. Übrigens auch in nicht so gut publizierten Bereichen: So soll es einmal eine Zeit gegeben haben, in der die Panzerautos knapp wurden. Japanische Firmen kamen mit ihren Fahrzeugen erst durch den Irakkrieg massiv auf diesen Markt. Was allein der gepanzerte Fuhrpark, der in der Internationalen Zone herumsteht, gekostet hat? Dazu kommt andere Sicherheitstechnologie, von den einfachen Betonmauern (T-Walls) bis zu Metalldetektoren und vielem anderen. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 16.11.2007)