Bildgeschichten
Männer, hat mir ein Bekannter nach dem üblichen Post-Trainings-Bier mal erklärt, hätten ein additives Verständnis vom Fitnessstudio, das heißt, sie heben Gewichte, um die Zweikämpfe auf dem Fußballfeld oder den Marathon besser bewältigen zu können. Für Frauen hingegen sei das Studio-Training nur dafür da, dass sie irgendwann so aussehen wie die Soap-Sternchen im Fernseher über dem Laufband. Ach ja, rief ich aus, das zweite Pils im dehydrierten Körper, Männer stählen sich für die Jagd auf den Ball, für Frauen ist selbst Pilates nur Paarungsvorbereitung – was für ein pseudo-psycho-evolutionärer Unsinn.
Es ist alles nämlich viel komplizierter. Ein Fitnessstudio ist laut Ratgeberliteratur ein Flirt-Fixpunkt des öffentlichen Lebens wie etwa auch der Waschsalon, wo es für die, die noch an sich arbeiten, die noch nicht angekommen sind im Kernfamilien-Nirvana, eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt, sich über den Weg zu laufen. Die Fitness-Freaks demonstrieren Leistungsfähigkeit und -bereitschaft – gerne auch in aller Öffentlichkeit. Und erinnern die hellen Großbild-Schaufenster, in denen wir uns die Energie aus dem Leib laufen, die uns der Arbeitsmarkt nicht mehr abkauft, nicht auch ein wenig an die rot erleuchteten Fenster des Amsterdamer Rotlichtbezirks?
Männer - Frauen
Trotzdem wird das erotische Potenzial dieses Ortes überschätzt. Das Fitnessstudio ist in Wahrheit ein Ort der Geschlechtersegregation. Hier merkt man, was Männer und Frauen trennt. Männer schuften in abgewetzten Hosen. Frauen tragen Gucci-Fitness-Pants aus einem Kaschmir-Polyester-Mix. Männer wollen im Rausch des Rennens die Termine des Tages vergessen. Frauen haben das Handy auch am Butterfly-Automaten dabei. Männer machen ehrliche Sportarten. Frauen jede modische Albernheit. Frauen schwitzen nicht, Männer hingegen sehr – nicht umsonst gehen viele Frauen gerne in Studios, an deren Tür ein Toilettenmännchen rot durchgestrichen ist. Wir müssen leider draußen bleiben. Nur Schule und Gefängnisse – die anderen großen Selbstverbesserungsinstitutionen der Moderne – haben eine stärkere Geschlechtertrennung.
Und doch kann man im Fitnessstudio auch lernen, was die Geschlechter verbindet. Und nein, es ist immer noch nicht die Liebe. Dies ist das Protokoll eines Selbstversuchs. Zwei Wochen stoppte ich mein übliches, exakt auf 90 Minuten getimtes Programm – sieben Kilometer laufen, 15 Minuten Streching und Crunches, Stimulation ausgewählter Muskelpartien, Sauna, Duschen, Abgang, das Ganze natürlich ohne ein Wort zu sprechen. Stattdessen nahm ich zum ersten Mal das Programm unseres (integrierten) Studios zur Hand, wenig später an Body Components, Taebo, Full Athletic und BBP teil. Zwei Dinge haben mich sehr überrascht: Nach 15 Minuten musste ich meine Premieren-BBP-Session abbrechen. (Was sind das für unbekannte Muskel? Was sind das für Schmerzen?) Und: 50 Prozent der Teilnehmer waren Männer.
Körperpraktiken, schreibt der Sport-Historiker Thomas Alkenmeyer, sind Teil einer Bildungs- und Repräsentationsarbeit, mit der sich die Subjekte eine erkennbare soziale Form geben. Der komplette Diskurs über die Entstehung des Bürgertums im 19. Jahrhundert übrigens, und das kann man hier leider nur anreißen, basiert wesentlich auf der Neudefinition einer produktiven, autonomen Körperlichkeit – die neue Klasse ersetzte die horizontale Haltung (Adeliger auf Liege / buckelnder Kammerdiener) durch die Vertikale (Bürger mit Zylinder).
Weibliche Errungenschaften