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Sieger sehen anders aus: Gregor Bloéb als Titelfigur in Turrinis neu gedichtetem "Diener zweier Herren" am Theater in der Josefstadt.

Foto: Reuters / Herbert Neubauer
Renovierungs-bedürftig wäre allerdings auch die Theaterkunst.
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Wien – In Familien, in welchen man vorwiegend mit einer 44er-Magnum kommuniziert, ist immer was los. Und trotzdem kann es fad werden, im Theater. Beizeiten blickt zwar der Schwiegervater in den Pistolenlauf seines Möchtegernschwiegersohns. Doch es passiert nichts. Pantalone, ein durchtriebener Transportunternehmer in Venedig (Heribert Sasse), hat ihm, Federigo Rasponi, zwecks Geschäftsförderung seine Tochter (Hilde Dalik) in Aussicht gestellt.

In Wahrheit steckt in diesem Federigo dessen Schwester Beatrice (der echte wurde ermordet), die offene Rechnungen mit Pantalone einzutreiben in die Lagunenstadt angereist kam.

Wirtschaftskriminalität

Peter Turrinis Neudichtung von Carlos Goldonis Diener zweier Herren hat am Donnerstagabend nach fast sechsmonatiger Schließzeit mit Schwerfälligkeit das Theater in der Josefstadt wiedereröffnet. Der Dramatiker fokussiert in Bezügen zu einer uneindeutigen Gegenwart (1920 oder doch Jetztzeit?) das weite Feld der Wirtschaftskriminalität. In diesem nimmt sich die eigentliche Titelfigur Truffaldino als traurige Witzfigur am Rande aus. Deshalb heißt er bei Turrini auch Arlecchino.

Gregor Bloéb richtet ihn, einen von den Isonzoschlachten direkt an die venezianischen Kaimauern geschwemmten, ruppig geschorenen Soldaten, als willigen, aber matten Kämpfer auf. Er tauscht die Soldatenkutte gegen das bunt gescheckte Harlekinkostüm: "Was immer sich bietet, greif zu!", rät ihm sein Vorgänger, der alte Arlecchino (Alexander Grill). Dieser gehört aber bereits einem verlorenen Zeitalter an. Von den Deals im großen Stil, wie sie der Transportunternehmer Pantalone mit dem Handelshaus Rasponi (Tiefkühlgemüse) eingeht, werden für den kleinen Diener heute nicht einmal mehr Krümel abfallen. Und er weiß es.

Dem armen Schlucker (doppelter Dienst, kein Bissen Brot) wird, wenn er die Hausmauer zwecks herabhängender Champagnerflasche (man nimmt, was man kriegt) erklimmt, auch noch diese vor den müden Augen zerschossen. Von den Entfernungen im sozialen Gefälle dieser Gesellschaft erzählt an diesem Premierenabend am auffälligsten das Bühnenbild von Rolf Langenfass (auch Kostüme). Eine die Breitseite füllende Steiltreppe symbolisiert die hierarchische Ordnung, in der sich die zukünftigen Konzernbosse samt juristischem Anhang (Toni Slama als Dottore) auf den obersten Stufen vor den Subordinaten aufpflanzen.

Behäbig-hölzern gerät durch das bloße Aneinanderreihen von Überlegenheitsgesten das Spiel in Herbert Föttingers Regie. Die Figuren des Stücks (Maskierte – Nichtmaskierte, Herrschaft – Diener), auch die Zeiten klaffen ihm auseinander. Die durchaus auch bärtigen Witze bemüht er sich leider auch noch zu erklären, nachdem man sie bereits verstanden hatte. Die gelungensten Momente erreicht das Zusammenspiel von Gerti Drassl (als Smeraldina) und Gregor Bloéb.

Maske des Todes

Das verliebte Paar wird am Ende die Flucht antreten. Arlecchino (dann wieder im Soldatenmantel) und Smeraldina gehen Hand in Hand über die Treppe (kann auch sein: ins Wasser). Da blickt noch einmal die Maske des Todes auf.

Primi, Secondi, Dolci, alles wäre dem hungrigen Mann recht gewesen. Mehr als ein paar Kapern, die er sich in der Wirtshausszene bei Brighella vom Teller eines seiner Herren stiehlt, sind es nicht geworden. Und für diese setzte es dann auch noch Schläge. Ein vom "Tod" angeführter Schwarm Maskierter (inklusive Spider- und Superman?!) zieht in diesem zur Karnevalszeit an-gesiedelten Spiel immer wieder über die zentrale Treppe. Doch auch er bleibt in die-sem wild gemischten Stück (Musik von Mahler über Cellentano bis zu Nino Rota) ein Außenseiter. Parallelwelten schieben hier ihren Dienst. Am Ende wird – bis auf Arlecchino und Smeraldina – nichts zueinandergefunden haben.

Aber die Josefstadt hat nun ein hochgerüstetes Haus. Das sichtbarste Merkmal der Generalsanierung, die sich hinter den Kulissen noch bis Ende 2008 hinziehen wird, ist eine rot leuchtende Digitalanzeige an der Hausfassade. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD/Printausgabe, 17./18.11.2007)