Dass Italiens angeschlagener Premier Romano Prodi im Senat einen zweiwöchigen Sitzungsmarathon mit mehr als 700 Abstimmungen überleben würde, hatte ihm kaum jemand zugetraut. Am wenigsten sein Rivale Silvio Berlusconi, der für 14. November den Sturz der Regierung angekündigt und für 23. März Neuwahlen versprochen hatte. Der Jubel, mit dem die Senatoren des Ulivo-Bündnisses am Donnerstag gegen 23 Uhr die Genehmigung des Haushalts mit 161 zu 157 Stimmen begrüßten, galt denn auch weniger Prodis dürrem Sieg als der schwerwiegenden Niederlage seines Gegenspielers.

Berlusconis Verbündete, die den harschen Konfronta_tionskurs des Oppositionsführers in den vergangenen Monaten mit wachsendem Unbehagen verfolgt hatten, reagierten umgehend. Auf der Titelseite des Corriere della Sera forderte Gianfranco Fini den Cavaliere am Freitag zum Kurswechsel auf. Der Parteichef der Nationalen Allianz warf Berlusconi eine „verfehlte Strategie“ vor. Täglich den Sturz der Regierung zu prophezeien sei ein „unverantwortliches politisches Spiel“.

Gesprächsbereit

Mit einem Gesprächsangebot an die Regierung durchkreuzten Nationale Allianz, Lega Nord und Christdemokraten Berlusconis Ziel der Neuwahlen um jeden Preis. Die drei Parteien bekundeten ihre Bereitschaft, mit der Ölbaum-Allianz über ein neues Wahlgesetz und eine Verfassungsreform zu verhandeln. Damit eröffnen sich für Italiens Politik der permanenten Konfronta_tion neue Wege.

Innerhalb eines Jahres könnten sich die Parteien nicht nur auf ein neues Wahlgesetz einigen, sondern auch auf die längst fällige Verfassungsreform, die das aufgeblähte Parlament verkleinert, den Senat in eine Regionenkammer umwandelt und dem Regierungschef neue Befugnisse zugesteht. Walter Veltroni, der pragmatische Vorsitzende des neuen Partito Democratico, hat den Gesprächspartnern schon erste Vorschläge unterbreitet.

Doch Prodi blickt trotz des Sieges im Senat neuen Problemen entgegen. Fünf Dissidenten stimmten dem Haushalt zwar zu, forderten aber einen „neuen Kurs“ der Regierung. Mit einer Kabinettsumbildung könnte Prodi im Jänner der neuen Lage Rechnung tragen. Bei seinem Sturz könnte ein Übergangskabinett die beschlossenen Reformen durchführen.

Die neue Politik des Dialogs irritiert vor allem Silvio Berlusconi. Der Cavaliere, dem der Corriere della Sera „katastrophale politische Fehleinschätzung“ vorwirft, steht nun am Scheideweg. Der 71-jährige frühere Ministerpräsident und teils heftig kritisierte Medienmogul weiß, dass nur rasche Neuwahlen seine dritte Kandidatur für das höchste Regierungsamt gewährleisten. Folglich erteilte er dem Appell seiner Verbündeten umgehend eine starrsinnige Absage: „Es gibt am Kurs des Bündnisses nichts zu verändern.“ (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 17./18.11.2007)