Bild nicht mehr verfügbar.

In Alland funktionierte das Rote Kreuz die Straßenbahnmeisterei zum Versorgungszentrum um. Eine Helferin: "Die Stimmung war angespannt - wegen der Ungewissheit."

Foto: APA/Regine Hendrich
"Es gibt einen Zeitpunkt, wo es so schneit, dass du denkst: Jetzt kann dir keiner mehr helfen", sagt Andrea Borosch. Sie sitzt, ihre kleine Tochter auf dem Schoß, in der Notstation, die das Rote Kreuz in Alland gleich bei der Autobahn provisorisch eingerichtet hat. Dramatisch sei die Nacht, die Borosch dort mit ihren zwei Kindern verbracht hat, aber nicht gewesen: "Es ist keine Krisengeschichte, sondern einfach nur lähmend."

Daran, dass die junge Mutter am Freitag Morgen immer noch hier sitzt, war der Schnee von gestern schuld. Schon die ersten der 13 Zentimeter Neuschnee, die binnen 24 Stunden in Wien und Umgebung gefallen waren, sorgten Donnerstag Nacht für Stillstand auf der Wiener Außenringautobahn (A21).

Auch wer am Donnerstag Abend auf der Westautobahn (A1) unterwegs war, erlebte völliges Chaos. Bei dichtem Schneetreiben ging beim Wienerwald fast nichts mehr. Zahllose Lkw und Privatautos mit Anhänger stellten sich quer. Wenn nicht alles stand, ging es im Schritttempo vorwärts. Auf der A21 hätten die Lkw-Fahrer den stundenlangen Stau "beängstigend selbstverständlich" genommen, sagt ARBÖ-Mitarbeiter Christian Müller. "Es war ganz still, wie ein großer Parkplatz."

Erst um 22 Uhr läutete am Donnerstag sein Telefon, dann brauchte er eine volle Stunde, um "im Slalom zwischen den Lkw" zu seinem Anrufer zu kommen. Den Pannenstreifen hatte die Polizei bereits für den Gegenverkehr reserviert. Müller, der sich über "viele Slowaken und Niederländer, alle mit Sommerreifen" ärgert, erinnert sich auch an einen jungen Italiener im Sportwagen, der ihn um Winterreifen bat: "'Ich bezahle alles, jeden Preis' hat der gesagt, der gehört ja in die Psychiatrie mit diesen Reifen." Im Versorgungszentrum im 2000-Seelen-Ort Alland machte neben Geschichten von Feuerwehrmännern, die 50 Autos freigeschaufelt haben, bald die Schuldfrage die Runde. Unter den 80 Erwachsenen und 20 Kindern, die das Rote Kreuz mit Gulaschsuppe, Brot und heißem Tee versorgte, tauchte die Frage auf: "Wie konnte es so weit kommen? Wie kann man die Lkw da nur raufschicken?"

Verkehrsexperten äußerten massive Kritik. Das "teilweise lebensgefährliche Chaos" wäre verhinderbar gewesen, sagte Armin Kaltenegger vom Kuratorium für Verkehrssicherheit und verwies auf die Schneekettenpflicht für Lkw.

ÖAMTC-Jurist Martin Hoffer sagte, man hätte die Lkw-Fahrer auf der A21 rechtzeitig warnen müssen: "Wenn Schwerfahrzeuge bereits querstehen und die Autobahn blockieren, ist es fast eine Frechheit, trotzdem weitere Fahrzeuge hinaufzuschicken." Keiner will schuld sein

Laut ÖAMTC sind sowohl die Asfinag als Straßenerhalter als auch die Exekutive berechtigt, Straßen zu sperren.

Verkehrsminister Werner Faymann (SPÖ) räumte ein, man werde Sperren künftig so früh wie möglich verhängen müssen. "Da geht's um Minuten", kritisierte Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll die Zuständigkeit der Asfinag: "Von einer Zentrale in Wien" würde man Situationen oft "nicht richtig einschätzen".

Ein ARBÖ-Mitarbeiter, der am Freitag Vormittag gemütlich über die gesperrte A21 fuhr, nahme es mit Humor: "Es ist ja nicht das erste Mal, ich erlebe das hier seit 20 Jahren." (Lukas Kapeller/DER STANDARD, Printausgabe, 17.11.2007)