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EU-Kommissionschef José Manuel Barroso und Kommissar Louis Michel liefern immer weniger Getreide nach Afrika.

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In Mexiko gab es einen Volksaufstand: Die Tortilla-Maismehlfladen wurden innerhalb weniger Wochen um mehr als 50 Prozent teurer. Die Regierung musste eine amtliche Preisregelung einführen.

Grund für den Preisanstieg waren enorme Teuerungsraten bei Mais, weil der größte Exporteur der Welt, die USA, innerhalb kurzer Zeit seine Ausfuhren nahezu einstellte und aus dem Mais Ethanol produzierte – Biokraftstoff, der das Land unabhängiger vom Erdöl machen soll.

2005 wurden zwölf Prozent der US-Maisernte für Biosprit verwendet, heuer werden es schon fast 30 Prozent sein. Ähnliche Entwicklungen gibt es bei Getreide und anderen Lebensmittel-Grundstoffen. Und das trifft vor allem die Menschen in den Hungergebieten weltweit: Die USA konnten heuer mit vergleichbaren Geldmitteln nur noch die Hälfte der Lebensmittel für die Hungerhilfe kaufen als noch im Jahr 2000.

Das UNO-World-Food-Programm (WFP) liefert ebenso deutlich weniger an die Hungernden wie die EU. „Die steigenden Lebensmittelpreise sind eines unserer größten Probleme“, sagte EU-Kommissar Louis Michel, zuständig für humanitäre Hilfe, im Gespräch mit dem STANDARD.

Und mittlerweile haben sich die hohen Preise auch auf den kleinen regionalen Märkten durchgesetzt, auf denen die EU ihre Hilfe immer einkaufte. Und selbst auf den kleinen Straßenmärkten im Sudan kosten Grundnahrungsmittel bereits dreimal mehr als noch 2005. Damals konnte das WFP der UNO noch 96,7 Millionen hungernden Menschen helfen. 2006 waren es nur noch 87,8 Millionen, und heuer dürften es erstmals weniger als 70 Millionen sein.

„Die stetig steigenden Lebensmittelpreise treffen diejenigen, die an vorderster Hungerfront stehen, am härtesten“, sagte Josette Sheeran, Direktorin des UNO-Hilfsprogramms.

Doch Experten befürchten, dass die Zahl der Hungernden in der Welt noch deutlich steigen könnte. Denn Menschen, die jetzt gerade noch über der Armutsgrenze leben, könnten bald darunter fallen, weil die Lebensmittelpreise deutlich schneller steigen als die Löhne.

Und dazu würden auf immer mehr landwirtschaftlichen Flächen statt Lebensmittel Biospritpflanzen angebaut. In Angola, einem Land mit einem gewaltigen Hungerproblem, wurden gerade die Anbauflächen für Palmöl – auch ein Vorprodukt für Biosprit – verzehnfacht, und zwar auf Kosten der klassischen Landwirtschaft, berichtet die UNO.

Das Internationale Institut für Wasserwirtschaft (IWMI) warnt außerdem vor einer massiven Belastung der ohnehin schon angespannten Wasserversorgung. Der Anbau von Pflanzen für einen einzigen Liter Biokraftstoff verschlingt demnach je nach Region bis zu 3500 Liter Wasser.

Wassermangel

Vor allem der Wasserhaushalt in Südostasien ist der Studie zufolge gefährdet. In Indien und China könnten Plantagen mit Mais und Zuckerrohr, die für die Produktion von Biodiesel und Ethanol angelegt werden, den dort bereits erheblichen Wassermangel noch verschlimmern und den Anbau von Lebensmitteln wie Getreide und Gemüse gefährden.

Dabei ist diese Entwicklung nur der Anfang, warnen die Experten der UNO: Der Bedarf an Biosprit werde sich in den kommenden Jahren vervielfachen. In Deutschland und Österreich werden derzeit fünf Prozent Biosprit den Treibstoffen beigemengt, bis 2020 sollen es aber EU-weit 20 Prozent sein. Und auch in den USA soll der Biosprit-Anteil deutlich wachsen.

Der internationale Trend zur Erzeugung von Treibstoffen aus Getreide, Mais oder Zuckerrohr hat zu extremen Preisanstiegen bei den Lebensmitteln geführt. Betroffen davon sind auch UNO- und EU-Hilfsprogramme: Die Hungernden bekommen immer weniger. (Michael Moravec aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 17./18.11.2007)