Hamburg – Die deutsche Lokführergewerkschaft GDL verlangt weiter ein höheres Lohnangebot der Deutschen Bahn als Bedingung für die Rückkehr an den Verhandlungstisch. Das sagte der stellvertretende GDL-Vorsitzende Claus Weselsky am Sonntag. Selbst wenn die Deutsche Bahn nun nicht mehr darauf bestehen sollte, dass die GDL vor Verhandlungen eine Kooperationsvereinbarung mit den anderen Gewerkschaften schließt, liege "nach wie vor das Angebot auf dem Tisch von 4,5 Prozent und 600 Euro – nicht ein Cent mehr", sagte Weselsky.

Sollte die Bahn kein neues Lohnangebot vorlegen, könnte die GDL am Dienstag zum unbefristeten Streik aufrufen. Bis Montag 24.00 Uhr will die Gewerkschaft auf ein neues Angebot der Bahn warten. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Spiegel" will der Konzern der Lokführergewerkschaft ein neues Angebot unterbreiten. Damit wolle die Bahn drohende unbefristete Streiks abwenden.

Tarifautonomie

SPD-Vorsitzender Kurt Beck sieht durch den Streik der Lokführer die Tarifautonomie in Deutschland in Gefahr. Die Entwicklung der vergangenen Tage bereite ihm "größte Sorge", sagte Beck. "Wenn es so käme, dass in jedem Betrieb eine Reihe von verschiedenen Tarifverträgen gelten, dann führte das zu großer Unsicherheit und Instabilität." Er warne deshalb vor unterschiedlichen Tarifverträgen in einer Branche. "Das ist eine große Gefahr für die gesamte Tarifautonomie", sagte Beck. "Was sich da in Deutschland sehr zögerlich abzeichnet, hat in Großbritannien unter Maggie Thatcher dazu geführt, dass die Gewerkschaften hart an die kurze Leine genommen wurden." Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung haben die Streiks bisher einen volkswirtschaftlichen Schaden von mehr als 74 Millionen Euro verursacht.

Deutschlands Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) will laut Spiegel die Privatisierung der Deutschen Bahn mithilfe eines neuen Beschäftigungsmodells retten. Danach soll der Konzern zwar wie zuletzt diskutiert in zwei Holdings für Schienennetz und Zugbetrieb aufgespalten werden. Die Netz-Holding solle staatlich bleiben, an der Betriebsholding könnten sich Investoren beteiligen. (red/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.11.2007)