Bild nicht mehr verfügbar.

Hans Hass mit seiner Frau Lotte bei der Eröffnung des Haibeckens im Haus des Meeres im Frühjahr 2007.

Fotos: APA/Hans-Hass-Archiv
BAlle reden von den Gefahren des Klimawandels. Die vordringlichste Sorge des weltberühmten Tauchpioniers und Verhaltensforschers gilt einem anderen Phänomen: Hass warnt in einem offenen Brief vor einer "Selbstzerstörung des Lebens" durch die Bevölkerungsexplosion.

* * *

Liebe Frauen in allen Teilen der Welt! Ich beginne damit, dass ich mich Ihnen vorstelle. Ich bin Naturwissenschaftler, 88 Jahre alt und habe mich in der ersten Hälfte meines Lebens mit Meeresbiologie beschäftigt und zahlreiche Expeditionen, vor allem in tropische Meere, durchgeführt. Mein Interesse galt dem Verhalten der Fische in den Korallenriffen, besonders aber den Haien, die bis heute noch als sehr gefährlich gelten. 1960 verlagerte sich mein Interesse auf das Studium der Evolution des Lebens, auf die Entstehung des Menschen, seiner Wirtschaftsformen und seiner staatlichen Organisation.

In den letzten Jahren wurde mir dann klar, dass die immer weiter ansteigende Vermehrung des Menschen zu einer echten Gefahr wird. Der Mensch vermehrte sich zuerst nur sehr allmählich. Während die Bevölkerungszahl von Beginn unserer Zeitrechnung bis Anfang des 19. Jahrhunderts relativ stabil blieb, erreichte sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts bereits eine Milliarde. Im 20. Jahrhundert steigerte sich die Bevölkerungszahl explosionsartig. Schon um 1950 betrug sie zwei Milliarden und um das Jahr 2000 hatte sie bereits sechs Milliarden erreicht. Und diese gefährliche Entwicklung der Bevölkerungszahl setzt sich weiter fort.

Nun ist jedoch die Oberfläche des Planeten, auf dem wir leben, also der Erde, von beschränkter Größe und kann nur einer bestimmten Anzahl von Lebewesen Platz bieten. Unsere technischen Fortschritte sind so gewaltig geworden, dass der Mensch all die Tiere und Pflanzen, aus deren Kreis wir hervorgegangen sind, zurückdrängt, was zu einer Katastrophe führen kann.

Bremsen

Ich überlegte mir eingehend, wie es angestellt werden könnte, diese Geburtenexplosion zu bremsen. Bei allen Lebewesen ist die Ausrichtung auf Wachstum und Vermehrung die wichtigste Aufgabe. Deshalb ist es fast unmöglich etwas zu sagen, dass sich gegen diese Grundeinstellung richtet. Trotzdem ist es mir letztendlich gelungen, auf einen Vorschlag zu stoßen, der in knappen drei Sätzen das Problem der Überbevölkerung lösen kann. Diese lauten:

1. Jeder Frau auf dem Planeten Erde wird das Recht bescheinigt, zwei Kinder zu gebären - aber nicht mehr.

2. Stirbt eines der beiden Kinder vor dem 12. Lebensjahr, so wird ihr das Recht auf ein weiteres, drittes Kind zugestanden.

3. Ist eine Frau besonders kinderlieb, und möchte sie gern noch ein weiteres Kind, dann ist auch dies möglich, unter der Voraussetzung, dass sie über die notwendigen Mittel verfügt, es angemessen zu ernähren und zu erziehen. Da es zahlreiche Frauen gibt, die aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen gar keine Kinder haben wollen, kann von diesen das Recht auf ein Kind übernommen werden, entweder in freundschaftlichem Einvernehmen oder über eine entsprechende Zahlung. - Diese drei Sätze müssten in allen Ländern der Welt zum Gesetz erklärt werden.

Welche Einwände gilt es nun zu entkräften? Der erste Einwand gegen meinen Vorschlag ist wohl offensichtlich, dass die Geburt von Nachkommen eine so persönliche Angelegenheit ist, dass sie von einem staatlichen Gesetz nicht geregelt werden sollte. Nur gelangen wir heute in eine besondere Notlage und Gefahr, dass es zu Kriegen und dem Einsatz von neuen Waffen kommt. Man denke etwa an die Nutzbarmachung der Atomenergie. Sie stellt eine bedeutsame neue Energiequelle dar, führte aber auch dazu, dass heute mehrere tausend Atombomben gleichsam darauf warten abgeworfen zu werden. Somit wird der Einwand der Privatangelegenheit hinfällig.

Familienplanung als Sache der Frau

Ein weiterer Einwand könnte sein, dass dem Menschen ein besonders starker Geschlechtstrieb angeboren ist. Während dieser bei den Tieren nur zu bestimmten Zeiten in Erscheinung tritt, ist er beim Menschen mehr oder weniger das gesamte Leben lang wirksam. Dem muss eine geregelte Familienplanung entgegengestellt werden, die eindeutig von den Frauen zu entscheiden ist.

Ich bin überzeugt, dass diese Veränderung im Verhalten von der Mehrheit der Menschen verstanden und gutgeheißen wird. Eine Selbstzerstörung des Menschen würde mit Sicherheit dazu führen, dass alle unsere Erfindungen und Errungenschaften in Technik und Kultur im Nichts untergehen, und dies sollte doch unter allen Umständen verhindert werden. Ich würde mich freuen, wenn Sie meine Denkanstöße interessieren und Sie diese weitergeben. (DER STANDARD, Printausgabe 19.11.2007)