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Aus Verzweiflung die Arbeit niederlegen: Felicity Huffman aus der US-Serie "Desperate Housewives" unterstützt den Streik der Drehbuchautoren und geht auch auf die Straße.

Foto: Reuters/Pizzello
Die Abhängigkeit vom amerikanischen Serienmarkt bekommt unterdessen auch der ORF zu spüren.

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Man sieht Joe Grossman an, dass er seine Zeit meist am Schreibtisch verbringt. Sein Gesicht ist weiß wie ein Käsekuchen. Lange Tage und halbe Nächte hockt er am Computer, bis sie fertig sind, die witzigen Sprüche, die David Letterman unters Fernsehvolk streut, als seien sie ihm spontan eingefallen. Jetzt hat der blasse Lockenkopf den Büromief gegen frische Luft eingetauscht. Joe Grossman streikt.

Das heißt, er läuft im Kreis, wie es bei einem Ausstand in Amerika üblich ist. An einer zugigen Ecke des Battery Parks, akustisch begleitet von knatternden Presslufthämmern, dreht er kleine Runden. "On Strike", steht auf seinem Transparent. Originell ist das nicht, soll es auch gar nicht sein. "Dazu ist die Sache zu ernst", sagt Grossman.

Die Folgen des Autorenstreiks, der nun schon zwei Wochen andauert, spüren die Amerikaner immer empfindlicher. Den Fernsehserien à la "Desperate Housewives" und "Ugly Betty" geht langsam der Stoff aus, was einer Entziehungskur gleichkommt in einem Land mit hunderten TV-Kanälen.

"Da Vinci Code 2" später

Wegen des Streiks der Film- und Fernsehautoren in Hollywood sind die Dreharbeiten zu der Fortsetzung des Kinoerfolgs "Da Vinci Code" mit US-Schauspieler Tom Hanks verschoben worden. Am härtesten trifft es die ironische Nische der Fernsehnation, die Late-Night-Shows, wo sich Stars wie Jay Leno, Jon Stewart und Dave Letterman bissig am politischen Alltag reiben.

Sie alle lassen längst Gesendetes noch einmal laufen, was ungefähr so ist, als kämen in den Nachrichten nur noch Meldungen vom vorigen Monat. "Tut uns ja leid", bedauern die beiden Stangel-Brüder, Eric und Justin, die Chefs von Lettermans zehnköpfigem Autorenteam. Mit sorgenvollen Mienen erzählen sie vom letzten Ausstand, dem von 1988. Der dauerte 22 Wochen, die Shows verloren zehn Prozent ihrer Zuschauer, die meisten, die abschalteten, kamen nicht wieder.

Dennoch, das hier wollen sie durchstehen. "Wussten Sie, dass die Hälfte der Schreiber zu wenig verdient, um sich eine Krankenversicherung leisten zu können?", fragt Eric Stangel. Gleich um die Ecke liegt die Wall Street. Den Brokern soll in den Ohren klingen, was die Kreativen skandieren. "Ihr kriegt die Dollars, wir die Peanuts", rufen sie im Chor. Zu leise, als dass es tatsächlich bis zur Börse dringen würde. Es ist eben eine ungewohnte Übung für ausgeprägte Individualisten wie sie.

Sie sind coole New Yorker, iPhone am Hosengürtel, Designerkleidung am Leib, Sonnenbrillen im Gesicht. Joe Harris trägt trotz der herbstlichen Kühle ein T-Shirt, unter den Ärmeln lugen Tätowierungen hervor, rechts ein Tiger, links ein Drache, beide japanisch. Harris ist Drehbuchautor. "The Tripper", vor einem Jahr, war sein erfolgreichster Film.

Keinen einzigen Cent

"Eine Gruppe von Hippies, von Sex und Frieden träumend, fährt zu einem Musikfestival", skizziert er die Handlung. "Der Traum wird zum Albtraum, als ein Killer auftaucht, besessen von Ronald Reagan, mit einem Bluthund namens Nancy im Tross." In den Kinos ist "The Tripper" kaum noch zu sehen, dafür auf DVDs und im Internet. Davon hat Harris wenig, er wurde einmal bezahlt für das Skript, das war's. Was später an Tantiemen fließt, wenn der Streifen wieder und wieder vermarktet wird, fließt am Urheber der Geschichte weitgehend vorbei. Aus Erfahrung klug geworden, kämpft er dafür, beim Geschäft der Zukunft nicht leer auszugehen. Irgendwann werden sich die meisten Menschen Filme via Internet anschauen, sie sich auf ihre Handys und iPods herunterladen, orakelt Harris. "Wie es jetzt geregelt ist, kriegen wir davon keinen einzigen Cent."

Tina Fey hat es geschafft, sie thront ziemlich weit oben auf dem Fernseh-olymp. Sie schreibt die Vorlagen für "30 Rock" und spielt selbst mit in der Serie, die auf amüsante Weise hinter die Kulissen eines Fernsehsenders schaut, ihres Senders, des Senders NBC. Der residiert vornehm in einem der Rockefeller-Wolkenkratzer, dem mit der Hausnummer 30.

Kapitalisten-Karikatur

Im Marmorparterre lächelt Fey von einer Reklametafel, angetan mit attraktiver, medizinisch unnötiger Brille. Aber auch das Aushängeschild läuft jetzt tapfer im Kreis, immer um eine aufgeblasene Kapitalistenkarikatur herum, einen Dickwanst mit Fliege, Zylinder und dicker Zigarre im Mundwinkel. Tina Fey ist zu clever, als dass sie nicht riechen würde, wie trickreich die Medienkonzerne spielen. Ständig jammerten sie, dass sich im Internet nichts verdienen lasse. "Wieso sträuben sie sich dann so, uns eine Gewinnbeteiligung in die Verträge zu schreiben? Zehn Prozent von null wären doch auch nur null Cent."

Joe Grossman hat Letterman, ziemlich launig, noch zehn Tipps hinterlassen, mit welchen Witzen er die Pause füllen könnte. Mit all den netten Klischees: "Bush doof, Al Gore fett, Paris Hilton schlampig." Wenn in den Studios die Lichter ausgehen, bemerkt er sarkastisch, "hat das auch eine gute Seite. Der Mangel an frischen Programmen gibt uns die Chance, endlich mal unserem liebsten Hobby zu frönen: nicht zu lesen." (Frank Herrmann aus New York/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19. 11. 2007)