Die Angst vor den Hooligans grassiert. Viele Menschen mit Zweitwohnungen am Lande überlegen ernsthaft, die Städte im Juni nächsten Jahres zu verlassen. Allein, die Hooligans sind nicht die Hauptgefahr und das Hauptproblem. Denn diese Randalierer sind vor allem an ihre Klubs gebunden und nicht an die Nationalteams. Weshalb (neben anderen Ursachen) die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland relativ gelassen abgelaufen ist. Viel dramatischer ist, dass in dieser Zeit geschätzt zwei Millionen Menschen über uns kommen werden. Ein Drittel davon als Fußballfans, die anderen als schaulustige Touristen.

Sie werden die U-Bahn verstopfen, die ÖBB in Verspätungen treiben und den Taschendieben Konjunktur verschaffen. Denn bei Anzeigen dieser Art wird die Polizei, die jetzt schon "kleinere" Diebstähle oder Beschwerden wegen Drängelns auf der Autobahn zum Beispiel gar nicht aufnehmen will, restlos überfordert sein.

Die medial durch die Ereignisse in Italien hochgekochte Hooligan-Keule treibt uns in eine Art Belagerungszustand. Die Geschäftsinhaber wollen nichts riskieren und engagieren zusätzliches Security-Personal – nebst neuen Verriegelungen und feuerabweisenden Rollos. Die Behörden müssen – und da hat zum Beispiel Ursula Stenzel recht – die Parks davor schützen, dass sie zur Latrine und Jauchengrube verkommen. Soviel Dünger hält der stabilste Rosenstrauch nicht aus.

Auf der anderen Seite steht die Exekutive, deren Führungskräfte unter dem wirklich innovativen und dem Erfolg vorauseilenden Titel "Wunderteam" jetzt schon in nervenzerfetzenden Wochenendschulungen den Ernstfall proben. Dazu kommen in allen Bundesländern sogenannte regionale SKO (Sachkundige Organe im Erkennen und Behandeln sprengstoffverdächtiger Gegenstände). Laut Selbstdefinition obliegt ihnen die "Durchsuchung von Personen und Gebäuden bis hin zu gezielten Maßnahmen". Und wenn sich dann ein sogenannter "Hooligan" oder gar ein mutmaßlicher Terrorist ganz von selbst in einem Mietshaus oder in einem Gasometerturm versteckt?

In Wirklichkeit ist die EURO 08 der nächste Probelauf für die Festung Europa und gegen wirkliche oder behauptete Bedrohungen. In Wirklichkeit ist das ach so völkerverbindende Spiel auf dem Rasen ein einziges großes und verstecktes Foul an der demokratisch verfassten Zivilgesellschaft. Radikale Gegner selbst minimaler Ordnungsstrukturen bieten genügend Anlässe, ein bisschen Bürgerkrieg zu simulieren. Unsichere konservative Politiker (die es auch im linken Lager gibt) haben dadurch wieder eine Chance, zumindest zeitweise einzelne Bürgerrechte zu suspendieren.

Dass in Österreich beide Parteispitzen der rot-schwarzen Koalition einen Asylgerichtshof errichten wollen, der keinem Oberstgericht untersteht, ist die konsequente Folge solcher Denkweisen. Fehlt nur noch, dass in einer zugespitzten Situation Schnellgerichte erfunden werden, gegen deren Urteile es keine Berufungsmöglichkeit gibt. Bei dem Trubel, den es dann gibt, kann man gleich auch die umstrittenen Abschiebefälle ein für allemal erledigen. Großveranstaltungen wie internationale Meisterschaften populärer Sportarten oder Olympische Spiele sind längst in Gefahr geraten, eine Demonstration des Gegenteils zu sein, wofür sie stattfinden sollen. Diese Fußball-Europameisterschaft hätten wir uns ersparen können. (Gerfried Sperl/DER STANDARD – Printausgabe, 19.11.2007)