Lydia S. betrat ein Hutgeschäft. (Auf Anfrage verraten wir Ihnen gerne, welches.) In der Auslage gefiel ihr eine Kappe, auf ihrem Kopf dann nicht mehr so. Die Besitzerin, die nicht zum Vergnügen in ihrem Geschäft steht, sondern um Hüte zu verkaufen, diese tüchtige Frau, ging geduldig auf die Modegelüste der Kundin ein, zeigte ihr einen, einen zweiten und auch noch einen dritten Hut. Lydia S. durfte die Hüte anschauen, angreifen, ja sogar aufsetzen, sie durfte sich damit im Spiegel betrachten, durfte sich nach den Preisen erkundigen. Die Verkäuferin gab bereitwillig Auskunft, obwohl sie nebenbei einen zweiten Kunden zu betreuen hatte, noch dazu auf Englisch. Und dann, nach guten zehn Minuten, das! - Lydia S: "Danke!" Verkäuferin (verblüfft): "Was?" S: "Es war nicht der Richtige dabei." V (erbost): "Heißt das, Sie wollen keinen Hut kaufen?" S: "Äh, ja, weil (...)" V (laut): "Wissen Sie, dass ich für eine Beratung normalerweise 120 Euro verlange?" S: "Nein, aber (...)." V (sehr laut): "Ja fühlen Sie sich denn nicht moralisch zu einem Kauf verpflichtet?" S: "Nein, weil (...)" V (sehr sehr laut): "Dann verlassen Sie sofort mein Geschäft. Kunden wie Sie kann ich hier nicht gebrauchen." (Daniel Glattauer/DER STANDARD – Printausgabe, 19.11.2007)