Der Kampf um Mitbestimmung ist oft ganz schön frustrierend: Die Bürger, die die Landstraßer Markthalle retten wollen, werden deren Abriss kaum verhindern.

Foto: Regine Hendrich
Darüber hinaus existieren mehr als 30 weitere Initiativen - die meisten gegen ambitionierte Bauprojekte.

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"Wem gehört die Stadt?" heißt ein Hollywoodfilm mit Edward G. Robinson und Humphrey Bogart aus dem Jahr 1936, in dem diese sich - der eine als Undercover-Polizist, der andere als Gangster - in der New Yorker Unterwelt bewegen, um sich am Ende gegenseitig kaltzumachen.

Andere Zeiten, andere Realitäten: Fragt man Wiener, wem die Stadt gehört, antworten sie selbstbewusst: "Uns!" Mehr als 30 Bürgerinitiativen zu den unterschiedlichsten Themen haben sich in den vergangenen Jahren in den 23 Bezirken gebildet. Mit der "Lokalen Agenda 21", die von der Stadt auf Druck der Öffentlichkeit installiert wurde, um dem Wunsch der Bürger nachzukommen, nachhaltige Entwicklung ihrer Bezirke zu ermöglichen, wurde der offizielle, partizipative Rahmen für die Wiener etabliert (Entstehungsgeschichte siehe Artikel rechts). Der Spaß konnte, zunächst am Alsergrund, 2002 beginnen.

Nach dem Prinzip "Bottom up" sollten sich Bürger zu Ideengruppen zusammenfinden und "Hand in Hand" mit den Bezirkspolitikern zusammenarbeiten, sagt Josef Taucher, stellvertretender Geschäftsführer der dezentral organisierten LA 21 in Wien.

Nicht ganz aufgegangen

Ganz aufgegangen ist die Kombination Empowerment und Mitsprache - "Partizipative Demokratie" - laut Grünen-Politiker Rüdiger Maresch nicht: "Mitbestimmung ist nicht, wenn ich jemanden informiere, sondern wenn ich jemanden an Projekten beteilige und mitentscheiden lasse." Paradebeispiele, bei denen das nicht passiert ist und sich die Bürger eigeninitiativ wehrten, sind der Bacherpark und der Bahnhof Wien-Mitte. Während engagierte Bürger noch immer um die Landstraßer Markthalle kämpfen, haben die Anrainer beim Bahnhofsprojekt 2001 die Unesco ins Boot geholt, um zu verhindern, dass der Bahnhof drei 97-Meter-Türme erhält. Die Unesco-Androhung der Aberkennung des Weltkulturerbes zeigte Wirkung: Es wird nur ein 70-Meter-Hochhaus aus der Dachlandschaft ragen. "Die Stadt hätte es viel einfacher haben können, indem sie die Bürger von vornherein befragt hätte", sagt Maresch.

Beim Stichwort Bacherpark muss Agenda-Mann Josef Taucher gequält lachen. Auch sonst seien Initiativen, bei denen es schon festgefahrene Positionen gebe, nicht als Agenda-Projekte geeignet, weil die Diskussionen darum viel Zeit beanspruchten. "Die anderen Gruppen fragen dann zu Recht: 'Was ist mit uns?'"

Nicht glücklich

Glücklich sind die zahlreichen Bürgerinitiativen mit dem Agenda-Prozess und auch mit der Funktion der Gebietsbetreuung nicht, weswegen sie die "Aktion 21" gegründet haben, um auf ihre Sorgen aufmerksam zu machen. Die Belange reichen vom Erhalt einer Platane am Luegerplatz, die beim Bau einer Garage fallen soll, bis zum Kampf um den dörflichen Charakter und den Grüngürtel im Süden Wiens durch die Initiative "Stopp Mega City Rothneusiedl". 180.000 Quadratmeter Ackerland sollen einem Einkaufzentrum und dem neuen Austria-Stadion weichen. Dem Wunsch der besorgten Bürger nach Mitbestimmung bei wichtigen Themen wie der Flächenwidmung kann die LA21 nicht nachkommen, weil sie in Kooperation mit den Bezirken organisiert ist. "Mit der Flächenwidmung hat aber auch der Bezirk nur am Rande zu tun", sagt Taucher. Daraus folge "Scheinpartizipation", sagt der Soziologe Marc Diebäcker, der am Agendaprozess im 9. Bezirk beteiligt war. Die nächste Stufe der Bürgerbeteiligung sei, dass Bürger und Politker auf Augenhöhe zusammenarbeiten - "aus vertikal soll horizontal werden," sagt Taucher. Diebäcker stimmt zu, doch die Stadtpolitik sei zu hierarchisch organisiert, kritisiert er. (Marijana Miljkovic, Martina Stemmer/DER STANDARD – Printausgabe, 19.11.2007)