Zur Person:
Thomas Hofer ist Politberater und Buchautor. Er hat zum Wiener Landtagswahlkampf 2005 publiziert.

Foto: Heribert Corn
STANDARD: Wird die SPÖ in Wien noch lange regieren?

Hofer: Sie wird aus heutiger Sicht noch lange an der Macht bleiben, aber wohl nicht mit absoluter Mehrheit. Sie wird auf Sicht nicht ohne Koalitionspartner auskommen. Wien ist international eine Ausnahme, die SPÖ regiert seit 1918 (siehe Wissen). Die 49 Prozent bei der letzten Landtagswahl sind aber darauf zurückzuführen, dass die Gegner schwach waren.

STANDARD: Was hat die Opposition falsch gemacht?

Hofer: Die FPÖ hat sich durch die Abspaltung des BZÖ in einer schweren Krise befunden, die Grünen haben ihr Potenzial bei weitem nicht ausgenützt. Sie haben eine prinzipielle Wählbarkeit von 40 Prozent. Das heißt nicht, dass sie 40 Prozent Wählerstimmen bekommen würden, aber die Grünen sind eine Partei, die der SPÖ vor allem in den inneren Bezirken gefährlich werden kann. Genau wie die FPÖ in den klassischen Arbeiterbezirken. Auch die ÖVP mit Parteiobmann Johannes Hahn, der heute im Unterschied zu 2005 in der Bundespolitik verankert ist und eine höhere Name-Recognition hat, kann ihr Potenzial maximieren. Michael Häupl wird auch nicht ewig Bürgermeister sein.

STANDARD: Wer könnte die Nachfolge antreten?

Hofer: Innerparteilich werden zwei Kandidaten genannt, einerseits Renate Brauner und andererseits Werner Faymann. Beide sicherlich respektable Kandidaten, doch es wird nicht einfach, Michael Häupl nachzufolgen. Auch Häupl, das vergessen die meisten, hatte 1996 ein massives Problem nach Helmut Zilk.

STANDARD: Was ist die Stärke, was die Schwäche der Wiener Stadtregierung?

Hofer: Die unglaubliche Stärke ist der Organisationsgrad. Sie hat 100.000 Mitglieder, davon können Stadtparteien weltweit nur träumen. Das Problem ist eine gewisse Überalterung der Organisationsstrukturen. Jede absolute Mehrheit, egal welcher Partei, lädt zu Fehlern ein, weil man glaubt, man sei unverwundbar. Eine so große Partei versucht auch, sich bei Themen nicht zu klar festzulegen. Vertritt sie Extrempositionen, verliert sie an einem Rand zwangsläufig.

STANDARD: Die SP baut seit einiger Zeit auffallend stark Frauen auf. Ist die Stadt bereit für eine Bürgermeisterin?

Hofer: Das wird SPÖ-intern eine der entscheidenden Fragen: Faymann oder Brauner? Ich bin mir sicher, dass die SPÖ auch mit Renate Brauner die mit Abstand stärkste Partei bleiben wird. Brauner muss sich schon heute thematisch so breit aufstellen, dass ihr das zugetraut wird. Entscheidend wird, wann Häupl übergibt. Das muss eine gegebene Zeit vor der Wahl sein, damit Brauner oder Faymann genügend Zeit haben, sich aufzubauen. (M. Miljkovic/DER STANDARD – Printausgabe, 19.11.2007)