Der aktuelle "Spiegel" zeigt Angela Merkel, aber auch Stefan Aust hat dieser Tage wenig zu lachen.

Montage: STANDARD/Isabella Kohlhuber

Nach dem Quasi-Rauswurf von Stefan Aust (61) beim "Spiegel", wird hektisch nach einem neuen Chefredakteur gesucht. Die "neue, frische Kraft" soll das Magazin wieder angriffslustiger und politischer machen – und bekommt einen Prestigejob mit eingebautem Schleudersitz.

Die deutsche Medienbranche kennt zur Zeit vor allem zwei Themen: Das Coming Out von ARD-Talkerin Anne Will. Und die Führungskrise beim "Spiegel". Doch während Will mit dem knappen Satz "Ja, wir sind ein Paar" die Spekulationen um ihre Person beendete, blühen diese beim Spiegel umso mehr.

Nachdem die Gesellschafter und Mitarbeiter des Hamburger Nachrichtenmagazins, ihren Chefredakteur vorige Woche abservierten, indem sie ihm die Vertragsverlängerung über den 31. Dezember 2008 hinaus verweigerten, sucht man nun an der Hamburger Brandstwiete, dem Sitz des Magazins, nach einem Nachfolger. "Wir sind der Meinung, dass der Spiegel einen Modernisierungsschub braucht. Wir wollen mehr junge Leute an das Blatt binden. Dazu braucht es eine frische, neue Kraft", sagt Armin Mahler, Geschäftsführer der Mitarbeiter KG.

In den nächsten sechs bis acht Wochen soll ein solcher gefunden sein. Einen eindeutigen Kronprinzen gibt es nicht, wohl aber mehrere Kandidaten. Im Gespräch sind:

  • Giovanni di Lorenzo (48), der 48-Jährige ist Chefredakteur der Zeit, der er zu einer etwas stärkeren Auflage verhalf. Er war früher bei der Süddeutschen Zeitung (Innenpolitik), danach Chefredakteur des Berliner Tagesspiegel.
  • Mathias Müller von Blumencron (47), Chef von Spiegel Online. Er gilt als Schwergewicht innerhalb des Spiegel-Verlags, weil die Spiegel Online publizistisch wie wirtschaftlich erfolgreich ist.
  • Gabor Steingart (45), er leitete von 2001 bis 2007 das Berliner Spiegel-Büro und ist nun im Spiegel-Büro Washington.
  • Franziska Augstein (43), Tochter von Spiegel-Gründer. Die Journalistin (Süddeutsche) gilt als schärfste Aust-Kritikerin. 2005 warf sie ihm vor, der Spiegel sei kein Leitmedium mehr, sondern ein "geschwätziges Blatt unter anderen" – eine Anspielung auf den Focus aus München. Ihre Kritik am Spiegel teilen viele Mitarbeiter im Haus, die mit 50,5 Prozent am Verlag beteiligt sind. Zwar schafft das Blatt unter Aust noch jede Woche eine Auflage von über einer Million Exemplaren. Doch Aust gilt als herrisch, als nicht politisch genug, das Magazin ist vielen zu wirtschaftsfreundlich.

    "Stillos"

    Weitere Kritikpunkte: Aust interessiere sich ohnehin nur mehr für Pferdezucht und Spiegel-TV. Entsetzt, dass Aust vom Rauswurf im Urlaub auf Bali erfuhr ist sogar die Konkurrenz. "Stillos" verhalte sich diese "Meute von 800 Leuten", klagt "Focus"-Chefredakteur Helmut Markwort über die Spiegel-Redakteure. Früher hat er mal gesagt, wenn Aust gehe, werde er einige Flaschen Champagner köpfen. (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD; Printausgabe, 20.11.2007)