Wien ist keine Hochhaus-Stadt, ein paar Wolkenkratzer – im Bild der Millenium-Tower – gibt's aber schon. Und in den nächsten Jahren kommen weitere Türme dazu.

Foto: Christian Fischer
Wien besteht aus knapp 160.000 Gebäuden. Wenn man sich die Veränderung des letzten Jahrzehnts vor Augen führt, dann kann man nur schwer glauben, dass die Anzahl der Hochhäuser gerade mal ein Promille einnimmt. "Es gibt in Wien etwa 160 Gebäude über 40 Meter", sagt Klaus Vatter, Obersenatsrat der MA 21 (Stadtteilplanung und Flächennutzung), "Hochhäuser sind in der städtischen Struktur also immer noch die Ausnahme." Doch wie groß ist der Hochhaus-Bedarf in Wien wirklich?

Im Wiener Hochhaus-Konzept wird festgehalten, dass Wien zwar nicht den Ehrgeiz entwickle, zur Hochhausstadt zu mutieren, dass es für diesen Bebauungstyp aber dennoch genug städtebaulichen Spielraum geben solle. "Ein Höhenlimit gibt es von vornherein nicht", heißt es aus dem Ressort von Planungsstadtrat Rudolf Schicker (SPÖ), "vordergründige Prestigeprojekte im globalen Höhenwettlauf von Bauprojekten sind jedenfalls nicht geplant." Ein Blick auf die so genannte Platte, wie die Donau-City im 22. Bezirk seit der Überplattung der Donauufer-Autobahn genannt wird, zeugt von ganz Anderem. In wenigen Jahren werden die alles übertrumpfenden Hochhäuser aus der Feder des französischen Architekten Dominique Perrault in den Himmel ragen. Der höhere Turm mit 62 Geschoßen wird 220 Meter messen, sein kleiner Bruder mit insgesamt 45 Geschoßen immerhin 165 Meter. Die Nutzung: Büro, Luxuswohnen und ein FünfSterne-Hotel.

Sättigung erreicht

"Natürlich kann man nicht überall mit Gewalt Hochhäuser bauen", erklärt Thomas Jakoubek, Geschäftsführer der WED (Wiener Entwicklungsgesellschaft für den Donauraum Vienna DC) "aber der Standort Donau-City eignet sich dafür besonders gut." Die Sättigung sei ohnehin bald erreicht: Nur noch wenige Parzellen stehen für eine Hochhausbebaung zur Verfügung. Die zwei Türme werden nicht von allen goutiert. Stadtplaner Klaus Vatter: "Ich frage mich, ob man in Wien wirklich über 200 Meter hohe Gebäude braucht. Wir sind weder eine 8-Millionen-Metropole, noch haben wir an diesem Standort einen harten Granituntergrund wie in Manhattan, der solche Höhen unter wirtschaftlichen Bedingungen zulässt." Bauen in einer ehemaligen Aulandschaft aus Schluff, Schlamm und Tegel sei eben nicht optimal.

Auch Jens Dangschat, Soziologe und Professor an der TU Wien, hegt seine Zweifel: "Die Perrault-Türme finde ich nicht mehr maßstabsgerecht, 220 Meter sind für eine Stadt dieser Größe definitiv zu viel." Doch selbst, wenn die Platte in einigen Jahren zugebaut sein wird (drei Türme haben laut Auskunft der WED noch Platz), brauche man sich keine Illusionen zu machen, dass sich damit der Wiener Hochhausbau seinem Ende zuneigen werde. Dangschat: "Der Wettbewerb ist grenzenlos, und man wird ihn einfach an anderer Stelle austragen." Die Hoffnungsträger der Zukunft sind bereits im Werden: der Hernalser Hof, eine 13-stöckige Bebauung direkt am Gürtel (in Planung), der Uniqa-Tower gegenüber vom Schwedenplatz (Architekt Jean Nouvel, in Bau), das OMV-Hochhaus im ViertelZwei (in Bau, bis zur Fußballeuropameisterschaft im Juni 2008 soll die äußere Gebäudehülle fertig sein) sowie das Stadtviertel rund um den zukünftigen Hauptbahnhof, dessen Bau 2015 abgeschlossen sein wird. Auf dem Gelände zwischen Gürtel, Arsenalstraße, Gudrunstraße und Sonnwendgasse werden Büroflächen im Ausmaß von 550.000 Quadratmetern sowie 5500 neue Wohnungen für rund 13.000 Menschen entstehen. Die ersten Einheiten sollen 2012 fertig sein.

An die Donau bringen

Das Wachstum des neuen Wien lässt sich jedoch nicht nur in Höhenmetern messen. In greifbarerer Nähe liegt die Bebauung des rechten Donauufers. "Wir möchten uns bei der Waterfront auf einige Hotspots konzentrieren und werden diese dann in angemessener Qualität mit dem Hinterland zu verbinden", erklärt Planungsstadtrat Schicker. Unter dem Plan, Wien endlich an die Donau zu bringen, dürfe man sich daher keineswegs eine geschlossene und zusammenhängende Uferbebauung vorstellen. Vier Schwerpunktgebiete entlang der Donau sind in Bearbeitung. Die beiden Herzstücke der Entwicklungen sind der zentrale Bereich um die Reichsbrücke und die Gegend um die Donaustadtbrücke.

Bei der Reichsbrücke werden im Laufe des kommenden Jahres machbare Lösungen für eine umfassende Neugestaltung des Ankunftsbereichs für Kreuzfahrtschiffe erarbeitet. Das Areal soll attraktiver werden und seinen provisorischen und industriellen Eindruck ablegen. Bei der Donaustadtbrücke entstehen die so genannte Marina City, eine Katamaran-Anlegestelle und ein Fußgängersteg. Alle notwendigen Planungen, Beschlüsse und Genehmigungen liegen bereits vor. Ab 2010 sollen die ersten Projekte fertig sein.

Das Wachsen Wiens ist mit Fertigstellung der Donauplatte aber keineswegs beendet. Mit den neuen Planungen im Zentrum der Stadt und an der Waterfront bleibt man allen bisher nachgegangenen Reizen des Bauens treu: dem Höhenrausch und dem Rauschen des Wassers. (Wojciech Czaja/DER STANDARD – Printausgabe, 20.11.2007)