Die wahre soziale Schnittlinie verläuft zwischen dem geschützten öffentlichen und dem ungeschützten privaten Sektor. Alles, was in jüngster Zeit über den Verteilungskampf zwischen Jung und Alt anlässlich der außertourlichen Pensionserhöhung durch die Regierung gesagt wurde, stimmt zwar irgendwie, ist aber relativ bedeutungslos angesichts der krassen Unterschiede zwischen öffentlich und privat.

Zwischenfrage: Eines der Hauptprobleme des Pensionssystems sind offenbar die "Invaliditätspensionen", die pro Jahr um rund 30.000 auf rund 400.000 angestiegen sind. Das ist der Weg, wie man trotz Pensionsreform der schwarz-blauen Regierung doch noch in die Frühpension entschlüpfen kann (ohne Abschläge). Wie viele von den "Invaliditätspensionisten" gehören zum öffentlichen Bereich?

Bei Hochofenarbeitern ist die Sache ja noch plausibel, aber wie steht es beim öffentlichen Sektor (zu dem nicht nur die Beamten im engeren Sinn, sondern auch die Beschäftigten in staatsnahen Betrieben wie etwa in der E-Wirtschaft gehören)?

Wenn man über dieses Thema schreibt, muss man dazu sagen, dass man keine "Beamtenhetze" betreiben will und die Leistungen des öffentlichen Dienstes anerkennt. Aber der Punkt ist, dass sich die gesellschaftlichen Umstände und die Arbeitswelt insgesamt rapid geändert haben.

Es gibt inzwischen Hunderttausende, meist am Anfang und gegen Ende der Berufslaufbahn, die keine fixe Anstellung (mehr) bekommen und sich zwangsläufig als Kleinselbstständige, Werkverträgler, Einnahmen-Ausgabenrechner, usw. durchschlagen müssen. Die können von Bedingungen, wie sie der Öffentliche Dienst hat, nur träumen: Sie haben keine Arbeitsplatzsicherheit, kein fixes Einkommen mit Vorrückungen, müssen sich selbst versichern, kein 13. und 14. Gehalt mit Steuerbegünstigung, können sich keine wochenlangen Krankenstände und Kuren leisten, ihre Arbeitszeit können sie sich "frei einteilen", in dem Sinn, dass sie lange außerhalb der Amtsstunden tätig sind, und haben vor allem keine schlagkräftige Interessenvertretung. Weder der ÖGB, noch die Wirtschaftskammer haben diese Gruppe wirklich entdeckt.

Die fix Angestellten sind ebenfalls gegenüber dem öffentlichen Dienst benachteiligt. Sie haben in den vergangenen Jahren allerlei "Verschlankungs"-Programme ihrer Betriebe über sich ergehen lassen müssen, zum Teil echte Lohnkürzungen, sie sind nicht pragmatisiert, stehen unter Leistungsdruck und können von den Pensionen des öffentlichen Dienstes nur träumen (wobei inzwischen auch die Aktivbezüge der Beamten höher sind als die der Angestellten oder Arbeiter).

Die Ursachen für die unzweifelhafte Besserstellung des öffentlichen Sektors sind großteils weggefallen. Die üppige Pension als Ausgleich für einen bescheidenen Aktivbezug hat keine Grundlage mehr. Die Unkündbarkeit und der faktische Versetzungsschutz als Bollwerk gegen politischen Druck von oben sind inhaltsleer geworden, da die allermeisten ohnehin den politischen Vorgaben freiwillig folgen, um es milde auszudrücken.

Die Gesellschaft und die Wirtschaftsstruktur wandeln sich - auch durch den Druck der Globalisierung - von einer bürokratischen Verwaltungskultur zu einer mehr wettbewerbsbetonten Leistungsgesellschaft. Das ist so wie der Übergang von einer Technologie zu einer anderen, moderneren. Es ist unvermeidlich. (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 20.11.2007)