Neu regieren und dabei ziemlich alt aussehen: Was SPÖ und ÖVP einander in den elf Monaten Wiederauflage der großen Koalition geliefert haben, erinnert frappant an die Neunzigerjahre - und hat alles andere als Retro-Schick.

Denn damals ließen die beiden Großparteien, vor allem wegen der stetig wachsenden FPÖ verhängnisvoll aneinandergekettet, auch nahezu keine Gelegenheit mehr aus, um ihren Frust am eigenen Partner abzuladen - und ihm eins auszuwischen. Beispiele gefällig?

Der Ministerrat etwa mutierte zu einer wöchentlichen Konkurrenzshow zwischen den roten Kanzlern und ihrem schwarzen Langzeit-Widerpart Wolfgang Schüssel, der nach dem Journalistenfoyer stets eine eigene Pressekonferenz ein paar Türen weiter veranstaltete. Auch pikant: Als Franz Vranitzky 1995 via Pensionistenbrief den bürgerlichen Rentenklau beschwor und für 1998 höhere Pensionen versprach - die ÖVP tobte.

Doch genug davon, und zurück ins neue Jahrtausend. Vor einer Woche, nachdem sich die Koalition bloß auf eine Lightversion der Neuen Mittelschule einigen hatte können, wandte sich der Vizekanzler in einem offenen Brief an die Lehrer. Darin zeigte Wilhelm Molterer viel Verständnis für die schwere Arbeit der Pädagogen und versprach ihnen auch allerhand - was die SPÖ zum Schäumen brachte. Sieben Tage später erfolgt nun der sozialdemokratische Gegenschlag. Kanzler Alfred Gusenbauer schreibt an die Pensionisten, um seine jüngsten Rentenzuschläge zu preisen, denen sein Partner freilich zugestimmt hat.

Ein paar Namen haben sich geändert, doch die rot-schwarzen Rachespielchen sind dieselben geblieben. Was bleibt den unfreiwilligen Empfängern dieser kostspieligen Demütigungsaktionen? Nur tief durchatmen, und auf die nächste Wahl hoffen. Oder einen saftigen Retourbrief schreiben. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.11.2007)