Polens Pianisten-Shootingstar: Rafal Blechacz.

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Wien - Er ist die große Hoffnung der jungen polnischen Pianistengeneration, seit Rafal Blechacz, Jahrgang 1985, vor zwei Jahren den Warschauer Chopin-Wettbewerb für sich entscheiden konnte und dabei gleich noch sämtliche Sonderpreise einstreifte.

Seither stehen die Zeichen einem traditionellen Automatismus gemäß auf Weltkarriere: Der aus der Talentschmiede an der Musikakademie in Bydgoszcz, dem ehemaligen Bromberg, stammende 22-Jährige wurde sogleich von der Deutschen Grammophon unter Vertrag genommen, bei der im Oktober seine erste CD erschien.

In der laufenden Saison ist er ständig auf Tournee, die ihn am Wochenende auch nach Wien führte. Er selbst sieht den plötzlichen Trubel gelassen und wirkt im Gespräch völlig ruhig: "Natürlich hat sich mein Leben verändert. Es war aber immer mein Traum, für Publikum zu spielen." Dass in seinem Repertoire bisher ein deutlicher Schwerpunkt auf dem polnischen Nationalkomponisten liegt, ist zum einen für ihn auch eine Frage der Neigung: "Chopin ist mir mit seinen Emotionen sehr ähnlich." Zum anderen sieht er allerdings auch die Notwendigkeit, anderes zu spielen, sich weiterzuentwickeln: "Dafür bleibt Zeit genug. Auf meiner nächsten CD werde ich Haydn, Mozart und Beethoven spielen."

Ob ein Kalkül dahinter steckt, dass sich Blechacz im Konzerthaus mit einem reinen Chopin-Programm präsentierte, zumal in anderen Städten auch Haydn, Mozart, Debussy und Szymanowski auf dem Programm stehen, darf nur vermutet werden.

Schon bei den 24 Préludes op. 28, die auch das Hauptstück auf der CD bilden, zeigte der Pianist seine souveräne Handhabung perfekter technischer Geläufigkeit, ein beeindruckendes Verfügen über Schattierungen und Nuancen und bewies, dass er im Gegensatz zu anderen pianistischen Shootingstars eine hochkonzentrierte Ernsthaftigkeit ausstrahlt.

Auch für seine straffe Akzentuierung der drei Mazurken op. 50 gilt, dass man das erst einmal können muss. Dennoch wurden zugleich Grenzen deutlich, zwar nicht der Fingerfertigkeit, wohl aber des Gestaltens. So zeigte sich Blechacz der Gesamtarchitektur der h-Moll-Sonate op. 58 noch nicht gänzlich gewachsen: Zu wenig zwingend gelangen hier die Temporelationen und formalen Anschlüsse, sodass der Eindruck des Episodischen, wenn nicht überhaupt unverbindlicher Glätte, überwog. Angesichts der mit Getöse angelaufenen Vermarktungsmaschine der Musikindustrie ist also auch in diesem Fall Realismus angesagt.

Und es darf die Hoffnung formuliert werden, dass dem Pianisten trotz übervollen Terminkalenders und gesteigerter Erwartungshaltung Raum gelassen wird, sein zweifellos enormes Entwicklungspotenzial auszuschöpfen. (Daniel Ender /DER STANDARD, Printausgabe, 20.11.2007)