Brüssel - Der frühere EU-Agrarkommissar Franz Fischler fordert im Zusammenhang mit der am Dienstag in Brüssel vorgeschlagenen Überarbeitung der Agrarreform ("Health Check") einen Masterplan für die europäische Milchwirtschaft. "Das ist die wichtigste Fragestellung", sagte Fischler am Dienstag, weil Milch "von allen Agrarprodukten in Europa das wichtigste" sei. Die Reduktion der Förderungen für agrarische Großbetriebe und eine - langsame - Umstellung auf Flächenprämien sieht er als richtige Schritte.

Eine schrittweise Anhebung der Milchquote ist laut Fischler "nicht wirklich die Lösung". Dem Ex-Kommissar schwebt unter anderem eine gemeinschaftliche Exportinitiative für Milchprodukte und mehr Aktivitäten für die Entwicklung neuer Produkte vor. Wenig konkret sind die Vorschläge der EU-Kommission auch bei der Frage, wie Milchwirtschaft auf Almen und in anderen ungünstigen Lagen sichergestellt werden kann. Hier müssten auch die "gebirgigen Regionen selbst" der EU-Kommission Vorschläge machen, fordert Fischler: "Ein Health Check sollte nicht nur Maßnahmen für jetzt enthalten, sondern sollte auch deutlich machen, wie die Politik nach 2013 gestaltet werden soll.

Kürzung der Subventionen

Die stufenweise Kürzung der Subventionen bei großen Betreiben ist laut Fischler sogar die bessere als der in der Agrarreform 2003 ursprünglich vorgesehene Förderstopp bei 300.000 Euro, der von den Mitgliedstaaten nicht akzeptiert wurde. Es sei politisch nicht argumentierbar, warum Getreidebauern, die extensiv wirtschaften, wenig Mitarbeiter haben und mittlerweile gute Preise erzielen, weiter gleich hohe Fördrungen erhalten sollen. Kritik, die "Korrekturen" gingen nicht weit genug, lässt Fischler nicht gelten: Es sei nie die Absicht gewesen, jetzt eine neue Reform zu machen, sondern nur die damalige Reform zu überprüfen.

Bei den Flächenprämien warnt der frühere Kommissar vor einer abrupten Umstellung, weil das jene negativen Folgen bringen könnte, die man 2003 mit dem Abstellen auf früher erhalte Fördersummen verhindern wollte. So etwa könnte die Pacht bei neuen Verträgen hinaufgesetzt werden. Grundsätzlich würde es aber vernünftigerweise Sinn machen, wenn die Agrarpreise hoch bleiben, "eher stärker in Richtung einer flat rate (Flächenprämie, Anm.) zu gehen". In Österreich würde bei so einer Änderung der Grünlandsektor gewinnen und der Ackerbau verlieren.

Die Umschichtung von Geldern in die Ländliche Entwicklung für Umweltmaßnahmen und Bergbauern ist laut Fischler für Österreich weniger wichtig als für andere Länder, etwa Großbritannien oder Dänemark, weil Österreich bereits jetzt ein sehr hohes Niveau an Förderungen für diesen Bereich habe und etwa fünfmal mehr an Mitteln erhält als Großbritannien und Dänemark.

Pröll will verschieben

Landwirtschafts- und Umweltminister Josef Pröll (ÖVP) sieht in den Plänen von Fischer Boel für eine Zwischenbilanz der EU-Agrarpolitik "keine Totalreform" mehr. Die Vorschläge seien eine "Diskussionsgrundlage", die aber dennoch "Gefahrenpunkte" beinhalte, wie Pröll in einer ersten Reaktion sagte.

"Herausforderungen" für die österreichische Agrarpolitik stellten die EU-Pläne im Bereich der Milchquoten, bei der Intervention und der vorgesehenen grundlegenden Umstellung des Agrarfördersystems auf ein einheitliches System in der ganzen EU dar. "Wir haben im Jahr 2003 eine der größten Agrarreformen beschlossen; diese sollte auch bis 2013 halten", sprach sich Pröll erneut für eine Verschiebung von grundlegenden Reformschritten in der EU-Agrarpolitik in die nächste Finanzperiode nach 2013 aus.

Die Position Österreichs zu den geplanten Veränderungen in der Milchwirtschaft sei unverändert: "Wir brauchen ein Nachfolgeregime, vor allem in den Randlagen", sagte Pröll dazu. Die nun beginnende Debatte werde begrüßt, zumal die Bauern Planungssicherheit brauchten.

Auch das Interventionssystem für Getreide soll abgeschafft werden. Dabei garantiert die EU einen Mindestpreis, zu dem sie Überschüsse aufkauft. Nach Meinung der EU ist dieses Sicherheitsnetz derzeit auf Grund der hohen Preise nicht notwendig. Pröll plädiert aber dafür, dieses System nicht ganz abzuschaffen, sondern bei möglichen Produktionsschwankungen reagieren zu können.

Nicht gegen Förderkürzung bei Großbetrieben

Beim weiteren Kernbereich im "Gesundheits-Check" der EU-Agrarpolitik, der sogenannten Modulation (Umschichtung von Geldern von den klassischen Direktförderungen in Richtung Ländliche Entwicklung etwa für Umweltschutz und Bergbauern) will Brüssel die Direktzahlungen kürzen, um mehr Geld für den Ländlichen Raum einzusetzen. Auch "neue Themen wie Klimawandel oder Bioenergie" sollen künftig stärker gefördert werden. Wichtig für Österreich sei in diesem Zusammenhang der Aufteilungsschlüssel für die frei werdenden Mittel, sagte Pröll. Erst dann könne eine endgültige Bewertung erfolgen.

Gegen die geplante Förderkürzung bei den Großbetrieben verwehre sich Österreich nicht, zumal hierzulande nur 60 bis 70 Betriebe davon betroffen seien. Hier sei man "gesprächsbereit", hieß es. Wie berichtet will die EU Betriebe, die über 100.000 Euro an Förderungen gekommen, um 10 Prozent kürzen, bei Förderungen zwischen 200.000 und 300.000 Euro soll die Kürzung 25 Prozent und ab 300.000 Euro 45 Prozent betragen. Das EU-Agrarbudget bleibt von diesen Reformplänen unberührt, erst nach 2013 soll es gekürzt werden. (APA)