Brüssel/Belgrad - Ohne Aussicht auf einen Kompromiss hat am Dienstag in Brüssel die vorletzte Verhandlungsrunde über den künftigen Status der südserbischen Provinz Kosovo begonnen. Der Wahlsieger der Parlamentswahl im Kosovo, Hashim Thaci, bekräftigte vor den Gesprächen, die Provinz sei "bereit für die Unabhängigkeit". Belgrad beharrt dagegen auf den Verbleib der Provinz im Staatsrahmen Serbiens. Die bis zum 10. Dezember befristeten Gespräche finden unter Aufsicht der sogenannten Kosovo-Troika aus der EU, den USA und Russland statt.

Alle Optionen überprüft

Unter Leitung des deutschen EU-Unterhändlers Wolfgang Ischinger sprachen Vertreter der Kosovo-Troika zunächst einzeln mit den Abordnungen Serbiens und der Kosovo-Albaner. Für den Nachmittag waren Gespräche zwischen beiden Seiten geplant. Beim Treffen der EU-Außenminister am Montag in Brüssel hatte Ischinger gesagt, er habe gemeinsam mit den USA und Russland "fast alle menschenmöglichen Optionen überprüft". Am Dienstag äußerte er sich bei seiner Ankunft am EU-Sitz aber optimistisch, dass Fortschritte erzielt werden könnten.

Thaci versprach vor dem Treffen Zurückhaltung beim Streben nach Unabhängigkeit sowie bessere Beziehungen zu Serbien. "Kosovo wird nichts ohne Absprache mit unseren Partnern in Washington und Brüssel machen", sagte er. Der frühere Rebellenführer betonte, mit jedem in der Region für Frieden und Stabilität zusammenarbeiten zu wollen, "auch mit Serbien". Thacis Demokratische Partei (DPK) ging nach ersten amtlichen Angaben als klare Siegerin aus der Parlamentswahl am Samstag im Kosovo hervor.

Aland-Inseln

EU-Diplomaten erwarteten, dass Serbien bei den Gesprächen eine neu formulierte Version des sogenannten Hongkong-Modells vorlegen würde. Bei der vorhergehenden Verhandlungsrunde Anfang November in Wien hatte die serbische Regierung vorgeschlagen, den Status des Kosovo ähnlich wie den der ehemaligen britischen Kronkolonie zu gestalten. Hongkong untersteht völkerrechtlich China, verfügt allerdings über weitgehende innere Autonomie. Vertreter der Kosovo-Albaner lehnten diese Lösung am Dienstag erneut ab. "Hongkong liegt so weit entfernt vom Kosovo", sagte der Präsident der Kosovo-Albaner, Fatmir Sedjiu, vor dem Treffen. Auch Thaci hatte das Hongkong-Modell am Montag zurückgewiesen. Diese Idee sei "nicht diskutabel".

Nun kündigte der serbische Minister für Kosovo und Metohija (Metochien), Slobodan Samardzic, an, die zu Finnland gehörenden schwedischsprachigen Aland-Inseln als ein Lösungsmodell für den Kosovo zur Sprache bringen zu wollen. Belgrad wolle damit auf die Bemerkungen reagieren, dass sich das bei der letzten Gesprächsrunde in Wien vorgeschlagene Hongkong-Modell in Asien befinde und dort Chinesen leben würden.

EU gespalten

Diese Bemerkung gelte nicht für die Aland-Inseln. Auf den zu Finnland gehörenden Inseln lebe eine schwedische Minderheit, sagte Samardzic gegenüber Journalisten in Brüssel. Aland gehört als demilitarisierte Zone zu Finnland, verwaltet seine inneren Angelegenheiten aber weitgehend autonom.

Während die USA und mehrere EU-Staaten eine einseitige Unabhängigkeit des zu 90 Prozent von Albanern bewohnten Kosovo anerkennen wollen, lehnt Serbien dies mit Rückendeckung Russlands ab. Die EU-Mitglieder sind allerdings in der Frage der Anerkennung eines unabhängigen Kosovo gespalten. So fürchtet etwa Spanien mögliche Auswirkungen auf die Autonomiebestrebungen im Basenkenland. Nach dem Ende der Verhandlungen am 10. Dezember soll die Kosovo-Troika UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon eine Bestandsaufnahme und Empfehlungen für das weitere Vorgehen vorlegen.

Ab 26. November könnte in Wien die letzte Runde der Verhandlungen geführt werden. Möglich ist eine große Konferenz über mehrere Tage nach dem Vorbild von Rambouillet (gescheiterte Verhandlungen zur Lösung der Kosovo-Krise im Februar/März 1999) oder Dayton (Krieg in Bosnien-Herzegowina wurde im November 1995 offiziell beendet). (APA)