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Gegen Tunesien in Wien wird Österreich gewiss organisierter sein als beim Training in Lindabrunn.

Foto: APA/Fohringer
Lindabrunn/Wien - Dass die Lage im österreichischen Fußball angespannt ist, belegten ein Scherz und die damit verbundenen Folgen. Da erklärte Teamchef Josef Hickersberger in der Sportschule Linda-brunn das Spiel gegen Tunesien zum "wichtigsten des Jahres", und er begründete die Wertung so: "Weil es die letzte Chance ist, mich vor der EURO abzuschießen."

Witze, auch solche mit ernstem Hintergrund, sind vermutlich motorisiert. Denn der Witz ist über die Westautobahn nach Linz gerast. Dort hat sich der oberösterreichische Verbandpräsident Leo Windtner zu Wort gemeldet. Er könne diese Aussage überhaupt nicht nachvollziehen. "Wir brauchen Konstanz, das Präsidium hat im Oktober beschlossen, dass Josef Hickersberger der EURO-Teamchef ist. Das bleibt aufrecht, unabhängig vom Tunesien-Match." Windtner zählte zu jenen, die immer wieder, zuletzt Mitte Oktober, die Ablöse gefordert hatten. Das kontraproduktive 3:2 gegen die Elfenbeinküste hat die Pläne durchkreuzt.

Gefährlich

Überhaupt nicht lustig ist, dass es sich bei Tunesien um eine sehr gute Fußballmannschaft handelt. "Die Lage in Österreich ist gefährlich. Der Gegner ist unbekannt, alle erwarten einen Sieg. Dabei hat Tunesien Kicker in seinen Reihen, die gefährlicher als Beckham sind. Sie sind halt nicht so berühmt." Hickersberger nannte Namen, Chikhaoui vom FC Zürich oder Haggui von Bayer Leverkusen.

Der Franzose Roger Lemerre betreut die Tunesier seit 2002, die Bilanz ist nahezu eindrucksvoll. 31 Spiele, 17 Siege, acht Remis, sechs Niederlagen. Geschlagen wurden u. a. Schweden, Kamerun, die Elfenbeinküste (einzige Gemeinsamkeit mit Österreich) und Kamerun. 2004 gewann Tunesien den Afrika-Cup. Die Fähigkeiten der Österreicher wollte Lemerre nicht beurteilen. "Das steht mir nicht zu, das verbietet mir der Respekt vor meinem Trainerkollegen. Österreich hatte im Fußball große Momente. Ihr müsst die Hoffnung behalten."

Kapitän Andreas Ivanschitz und René Aufhauser hätten am Tag vor dem Spiel sagen können, manche Kritiker sollten etwas anderes behalten, nämlich die Contenance. Da den beiden aber eine gute Kinderstube gemein ist, wurden sie nicht so ausfällig. Angesprochen auf Aussagen und Artikel einiger Ex-Internationaler (von Krankl bis Polster), die dem Team einerseits jegliche Klasse absprechen und andererseits nach einem 0:1 gegen England dem Land den Untergang verheißen, sagten sie. "Nicht lesen, nicht hören. Kritik sollte sachlich sein."

Ivanschitz geht von einem versöhnlichen Saisonabschluss aus. "Wir wollen gewinnen und sollten guten Fußball zeigen. Es ist bei allem Respekt eine Partie, bei der man auch in die Lage kommt, zu gestalten, zu agieren. Es geht nicht nur ums Verhindern." Aufhauser, der seinen Vertrag bei Red Bull Salzburg bis 2010 verlängert hat, sieht eine positive Entwicklung: "Wir sind intern selbstkritisch, wissen genau, was wir können, und was noch nicht."

Hickerberger verlangt "eine kontrollierte, aber keine bedingungslose Offensive". Man werde Tunesien eher kaum abschießen. Kein Scherz. (Christian Hackl, DER STANDARD PRINTAUSGABE 21.11. 2007)