Zur Ansichtssache: Kritisierte Medizinprodukte

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Viele wollten sich vielleicht den Weg in die Apotheke ersparen oder für die ersten Erkältungen vorab gerüstet sein. Wie praktisch, wenn dann "Gurgellösung" und "Halstablette" gleich im Supermarkt in großen Körben angeboten werden.

Das gesunde Geschäft

Doch das gesunde Geschäft im Supermarkt, wie es der Lebensmitteldiscounter Hofer mit der Produktpalette "well active" und "active med" zur Zeit großflächig anbietet, hat einen kleinen Fehler: Die Medizinprodukte sind zum Teil wirkungslos, wenn man dem Verein für Konsumenteninformation Glauben schenkt.

Medizinprodukte sind keine Arzneimittel

"Das, was Hofer vertreibt, sind zwar einerseits Medizinprodukte, wie die Gurgellösung, im Sinne des Medizinproduktegesetzes, andererseits aber auch Nahrungsergänzungen wie der Kräutersirup oder Kosmetika, wie der Mentholbalsam." Der Chemiker Thomas Tobisch vom Verein für Konsumenteninformation hat sich die Deklaration genauer angesehen und findet die Bezeichnungen irreführend.

Denn Medizinprodukte haben nichts mit einem Arzneimittel zu tun: "Ein klassisches Medizinprodukt ist eine Injektionsspritze, da Medizinprodukte physikalisch wirken. Im Gegensatz zu Arzneimitteln, die eine physiologische und pharmakologische Wirkung haben", erklärt der Fachmann.

Das ist Deklarationssache

Erstaunlich also, wie deklariert wird. Demnach müsse die Gurgellösung von Hofer eine physikalische Wirkung haben. Können kleine Teilchen in der Gurgellösung Schleim abkratzen? Oder findet zur physikalischen Anwendung gar der Verpackungskarton eine multifunktionale Anwendung? Das lässt nicht nur uns kreativ werden.

Unklarheit wird kreativ genützt

Thomas Tobisch spricht die berühmten Grenzfälle direkt an: "Die gibt es zum Beispiel bei Oberflächenantiseptika, bei ähnlicher Zusammensetzung: Die einen sind Arzneimittel, die anderen Medizinprodukte und die dritten unterliegen dem Chemikaliengesetz. Diese gesetzlichen Unklarheiten werden oft kreativ genützt, um beim Verbraucher bestimmte Botschaften anzubringen."

Verkauf von Pseudoarzneimittel

Ganz klar gegen die "Irreführung der Konsumenten" tritt auch der Österreichische Apothekerverband ein: "Da werden ja offensichtlich Pseudoarzneimittel verkauft, die in Wahrheit keine Arzneimittel sind, aber so angepriesen werden als wären es solche", so Peter Krüger, Direktor des Österreichischen Apothekerverbandes. Auch der Markenname der Produkte "active med" sei irreführend und täusche medizinische Wirkung vor.

"Tablette" nicht geschützt

Wobei erstaunlicherweise die Bezeichnung "Tablette" gesetzlich nichts mit Medizin zu tun haben muss. Die "Halstablette" bei Hofer hat laut VKI auch keine medizinische Wirkung. Diese seien höchstens wie ein Lutschbonbon zu bewerten. Auch der Wundspray sei nicht heilungsfördernd und desinfizierend. "Der Laie, der Halskratzen spürt und eine Tablette im Geschäft sieht, wird kaum den Unterschied wahrnehmen. Für den Verbraucher ist das eine undurchsichtige Sache", bringt es Tobisch auf den Punkt.

Apotheker haben Hofer geklagt

Auch der Apothekerverband sieht das so und hat deshalb gehandelt. "Um diese Frage zu klären, haben wir einen Prozess begonnen und haben Hofer geklagt", so Krüger. Die Klage sei seit Mitte Oktober beim Handelsgericht Wien anhängig. "Wir hoffen, dass das Ausmaß der Irreführung der Konsumenten auch dem Richter klar wird und als unlautere Vorgehensweise angesehen wird. Unsere Forderung ist, dass der Verkauf dieser Hofer-Produkte eingestellt wird."

Der Abgrenzungsbeirat entscheidet

Für die Kontrolle ist von amtswegen allerdings die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) zuständig. "Wegen eines schwebenden Verfahrens, wollen die (Anm. AGES) aber dazu nichts sagen", so der Chemiker des VKI abschließend.

Im Gespräch mit der Standard.at wurde Oskar Wawschinek von der AGES aber doch etwas direkter: "Ein Produkt, das kein Medikament ist, darf auch nicht den Anschein erwecken eines zu sein. Im Zweifelsfall entscheidet der Abgrenzungsbeirat. Das dauert drei bis vier Wochen. Erst dann können wir mit einem Ergebnis rechnen und dazu Stellung beziehen."

Stellungnahme von Hofer

Der Discounter Hofer bleibt in seiner schriftlichen Stellungnahme hingegen sachlich gelassen: "Alle von Hofer angebotenen active med – Medizinprodukte entsprechen der europäischen Richtlinie 93/42/EWG und dem österreichischen Medizinproduktegesetz. Die active med – Produkte mussten ein strenges Bewertungs- und Zulassungsverfahren durchlaufen und tragen das CE-Kennzeichen. Die gewohnt hohe Hofer-Qualität zum besten Preis ist dadurch sichergestellt."

Wer bei Halsweh und Wundheilung medizinisch auf Nummer sicher gehen will, ist in Österreich nur in den Apotheken bestens beraten: Wirkstarke Arzneimittel dürfen nur dort verkauft werden. (Andrea Niemann, Marietta Türk, derStandard.at)