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Ministerin Kdolsky beim Verteilen von Kondomen: Auf Positiv-Schlagzeilen folgten Elternproteste.

Foto: apa
Sie gehen fast lieber in die Schule als die Kinder selbst: Politiker. Der jüngste Schulbesuch von Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) in einer Wiener Schule ist dabei mehr die Regel als die Ausnahme.

Molterer hatte am Montag auf Einladung der ÖVP-nahen Schülerunion ein "Manifest gegen Gewalt an Schulen" unterstützt. Er sei "als Vizekanzler" eingeladen worden, "die ÖVP hat damit nichts zu tun", konterte ein Sprecher Molterers auf die Vorwürfe von SPÖ und Grünen, er habe Kinder instrumentalisiert. Allerdings: Die Einladung zur Präsentation war am Sonntag vom ÖVP-Pressedienst gekommen.

Wiens Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl, selbst SPÖ-Politikerin, stieß sich daran, dass Molterer keine Genehmigung hatte. "Wenn er keine hatte, war es wahrscheinlich ein Fehler", räumt ÖVP-Wissenschaftssprecherin Gertrude Brinek, einst selbst Volks- und Hauptschullehrerin in Wien, ein. Sie fordert aber eine "inhaltliche Debatte". Wichtiger sei die Frage: "Was passiert bei Politikerbesuchen in den Schulen?"

Damit spricht Brinek die Grauzone in der Gesetzeslage (siehe Kasten links) an: Auftritte von Politikern in Schulen sind mit wenigen Ausnahmen grundsätzlich genehmigungspflichtig. Es gebe aber "gewisse Graubereiche", weist ein Sprecher im Unterrichtsministeriums auf den Spielraum bei Genehmigungen hin. "Parteiveranstaltungen sind aber sicher nicht zulässig."

Politiker geben daher gerne hehre und nicht parteipolitische Gründe für ihre Besuche an - so auch Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky (ÖVP), als sie im vergangenen April in einem Wiener Gymnasium Kondome verteilte. Bei der Aktion sei "eindeutig die Aufklärung und der Schutz der Jugendlichen im Vordergrund gestanden", hieß es aus ihrem Ministerium. Manche Eltern sahen das anders und ihre Kinder für politische Werbung missbraucht. "Wir hatten schon Anfragen von SPÖ und ÖVP wie auch von den anderen Parteien", sagt ein Sprecher im Wiener Stadtschulrat.

"Für Schandtaten bereit"

Auch Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) war in Wahlkampfzeiten in Bildungsanstalten anzutreffen. Im Wahlkampf 2002 besuchte er ein Schulzentrum im dritten Wiener Bezirk, im April 2006 war er Gast in zwei Grazer Schulen. "Ich stehe für alle Schandtaten bereit", scherzte der damalige Kanzlerkandidat , bevor er den Schülern in Graz-Gösting für Fotos und bildungspolitische Fragen bereitstand. "Wenn ein Politiker Schülern Gesetze erklärt, kann das in Ordnung oder auch grenzwertig sein", heißt es aus dem Wiener Stadtschulrat dazu. "Politische Themen gehen oft in Richtung Politische Bildung."

Für den Politiker ist das Unterrichtsfach Politische Bildung daher ein willkommener Grund, Schulen zu besuchen. Meisterschaft darin erwarb Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ): Mit dem "Anliegen, zu einer praxisnahen Gestaltung des Unterrichtsfaches beizutragen", gab er 2002 wiederholt Schülern seine Ansichten zur Pressefreiheit zum Besten. (Lukas Kappeller/DER STANDARD Printausgabe, 21. November 2007)