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"Regierungsbevollmächtigter für den Wiederaufbau der guten Beziehungen Polens mit dem Ausland": Wladyslaw Bartoszewski (bei einem PO-Treffen).

Foto: Reuters/Andrews
Mit knapp 39 Millionen hat Polen fast fünfmal so viele Einwohner wie Österreich. Es ist das mit Abstand größte der neuen EU-Länder. Die wirtschaftliche Dynamik zeigt zwar Abschwächungstendenzen, dürfte sich unter der neuen Regierung aber wieder beschleunigen: Der rechtsliberale Premier Donald Tusk will die vom nationalkonservativen Vorgängerkabinett gestoppte Privatisierung wieder aufnehmen, das Steuersystem vereinfachen und die Einkommensteuer (derzeit 19 Prozent) weiter senken.

Außenpolitisch vorrangig ist die Wiederherstellung des Ansehens Polens, das unter der "Zwillingsherrschaft" von Lech (Staatspräsident) und Jaroslaw Kaczynski (Premier) arg gelitten hat. Vor allem die Beziehungen zu Deutschland waren atmosphärisch schwer belastet.

Vater des Sieges

Nun soll ein "Regierungsbevollmächtigter für den Wiederaufbau der guten Beziehungen Polens mit dem Ausland" auch hier die Wende bringen. Es ist auch für Österreich ein alter Bekannter im besten Sinn: Wladyslaw Bartoszewski (85), polnischer Botschafter in Wien 1990-95 und zweimal Außenminister (1995, 2000/01). Bartoszewski ist einer der Väter des Wahlsieges von Tusks Bürgerplattform (PO). In der Endphase des Wahlkampfes gab er mit einer flammenden Rede gegen die Kaczynskis der PO-Kampagne Biss.

Mit seiner Lebensgeschichte symbolisiert Bartoszewski Polens beste Traditionen: In einer katholischen Widerstandsgruppe organisierte er Hilfsaktionen für verfolgte Juden, kämpfte im Warschauer Aufstand gegen die Nazis, wurde nach dem Krieg von den Kommunisten verfolgt (sechseinhalb Jahre Haft) und setzte sich als einer der Ersten für eine Versöhnung mit Deutschland ein.

Bedeutung signalisiert

Eine Persönlichkeit dieses Kalibers schickte die polnische Regierung 1990 als Botschafter nach Wien - und signalisierte damit die Bedeutung, die sie dem kleinen Österreich im wieder zusammenwachsenden Europa zumaß. Bartoszewski benahm sich entsprechend seiner offenen Art wenig diplomatisch und bewirkte unter anderem die Aufhebung des Visumszwanges für polnische Staatsbürger.

Als Nach-Nachfolgerin Bartoszewskis in Wien arbeitete Irena Lipowicz mit gleichem Elan für die Verbesserung der Beziehungen. Danach wurde sie Regierungsbeauftragte für das polnisch-deutsche Verhältnis. Als nach der Parlamentswahl 2005 Jaroslaw Kaczynski den Anti-EU-Populisten Andrzej Lepper in die Regierung nahm, trat sie aus Protest zurück.

Opfer der Kommunisten-Phobie

Lipowicz' Nachfolge in Wien trat der Spitzendiplomat Marek Jendrys an. Er wurde Opfer der Kommunisten-Phobie der Kaczynskis und Anfang Mai 2007 wegen angeblicher Zusammenarbeit mit dem früheren Militärgeheimdienst abberufen und darf seither das Archiv des Warschauer Außenministeriums leiten.

Vor kurzem nun nannte die Warschauer Tageszeitung Rzeczpospolita einen prominenten Kandidaten für den Wiener Botschafterposten: Andrzej Sados, Sprecher von Ex-Außenministerin Anna Fotyga, zuletzt im Rang eines Vizeministers. Pikanterweise war Sados auch Bevollmächtigter "für Schutz und Förderung des Images Polens weltweit". Am Ergebnis gemessen nicht sonderlich erfolgreich.

Witz der Geschichte

Über Botschafterernennungen entscheidet letztlich der Staatspräsident. Kommt Sados tatsächlich nach Wien, ließe dies wohl auf eine Art Arrangement zwischen den Kaczynskis und der neuen Regierung schließen. Ein Witz der Geschichte wäre es allemal - mit Blick auf die neue Rolle Bartoszewskis.

In jedem Fall wird erneut die Bedeutung offenkundig, die man in Warschau Wien beimisst. Dies beruht freilich nicht auf Gegenseitigkeit. Denn weder personell noch ideell hat Österreichs Diplomatie der Bedeutung Polens bisher in annähernd vergleichbarem Maß Rechnung getragen. Die Zuwendung verhält sich umgekehrt proportional zur Größe des anderen. Das gilt übrigens auch für die Haltung der Nationen zueinander: Umfragen weisen laufend weit mehr Sympathie der Polen für die Österreicher als umgekehrt aus.

Insofern spiegelt die Wiener Außenpolitik nur Volkes Stimme wider. War dies schon bisher engstirnig und kurzsichtig, dann sollte spätestens die jüngste politische Wende in Warschau Anlass zu einem Kurswechsel auch in Wien geben. (Josef Kirchengast, DER STANDARD, Printausgabe 21.11.2007)