Strategien für die Zukunft der Erde waren beim Wissenschafter- treffen in Wien gefragt.

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Forscher, Diplomaten und Manager versammelten sich in Wien: Man suchte nach einem Sack voller Ideen für künftige Forschungsstrategien.

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Eine der großen Herausforderungen der globalen Umweltpolitik lautet heute, China und Indien dazu zu bewegen, sich an der Eindämmung des Klimawandels zu beteiligen. In den beiden bevölkerungsreichsten Ländern der Welt wächst nicht nur die Wirtschaft im Rekordtempo sondern auch die Emission der Treibhausgase. Das Internationale Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) hat einen Kniff gefunden: "Wir verknüpfen den Klimaschutz mit einem Problem, das die Regierungen Chinas und Indiens heute schon bewegt: Luftverschmutzung", sagt IIASA-Direktor Leen Hordijk.

Die Luft ist in Peking so schlecht, dass trotz geplanter massiver Einschränkungen der Industrie und des Individualverkehrs der Ablauf der Olympischen Sommerspiele gefährdet ist. Die Luftverschmutzung drückt die Lebenserwartung der Chinesen bereits um durchschnittlich vier Jahre. Um zwei Jahre verkürzt sie die gemittelte Lebenszeit eines Inders, während der Vergleichswert in Europa wenige Monate beträgt. Luftverschmutzung resultiert ebenso wie die Emission der Treibhausgase aus der Verbrennung von Öl, Gas und Kohle. Diese Einsicht hat die Behörden in Peking und Delhi ein kleines Stück auf den Pfad des Klimaschutzes gebracht.

Globale Szenarien und Modellrechnungen haben das südlich von Wien im Schloss Laxenburg residierende, unter anderem vom Wissenschaftsministerium unterstützte Institut bekannt gemacht. China ist ihm seit sechs Jahren, Indien seit einem Jahr als zahlendes Mitglied verbunden. Aus beiden Ländern reisten Wissenschafter mit hohen Regierungsämtern zu einer Konferenz anlässlich des 35. Geburtstags des IIASA an. Mehr als 700 Forscher, Diplomaten und Manager nahmen daran vorige Woche in der Wiener Hofburg teil. Viele von ihnen haben selbst schon am IIASA geforscht. Wie der Ökonom Jeffrey Sachs (siehe Interview), der als Direktor des UN-Milleniumsprojekts weltbekannt wurde und dem IIASA empfiehlt, künftig verstärkt Migration und Handel in die Modelle einzubeziehen.

Globale Themen

Auf einen Sack voll solcher Hinweise und Ideen für die Forschungsstrategien des Instituts hoffte Direktor Hordijk. Nicht weniger als einen Ausblick auf die globalen Themen der nächsten zwanzig bis vierzig Jahre sollte das dreitägige Treffen bringen. Und damit dazu beitragen, dass die Forschungen aus Laxenburg dank ihres Anwendungsbezugs auch weiter von Regierungen und internationalen Organisationen aufgegriffen werden.

Dem gerade mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Weltklimarat (IPCC) haben bereits 16 IIASA-Wissenschafter angehört. Andere Forschungseinrichtungen hätten dies bei einer solchen Gelegenheit groß herausgestrichen. Auf der Konferenz in der Hofburg war es eine Fußnote. Anders als bei so vielen Veranstaltungen, die sich den drängenden Problemen der Umwelt widmen, blieb Katastrophismus im Abseits und damit auch Raum für Erfolgsgeschichten.

Carlos Manuel Rodriguez, der frühere Umweltminister von Costa Rica, berichtete, wie sein Land die Abholzung des Regenwalds nicht nur gestoppt sondern radikal umgekehrt hat. Waren vor siebzig Jahren noch zwei Drittel des mittelamerikanischen Landes von Regenwald bedeckt, betrug der Anteil 1987 nur noch wenig mehr als ein Fünftel. Nicht nur die Einsicht, dass die gerodeten Flächen landwirtschaftlich genutzt weniger abwarfen als erwartet, brauchte Zeit, sondern auch den Irrtum zu durchschauen, Regenwald hätte keinen Nutzen. Inzwischen werden die Bewohner für den Erhalt bezahlt, unter anderem von den Gebühren der Farmer, die weiter unten im Flachland sauberes Wasser ableiten können. Auch die Wiederaufforstung ist schnell voran gegangen: Regenwälder bedecken bereits wieder die Hälfte Costa Ricas.

Percy Barnevik, als Asia-Brown-Boveri-Chef vor einigen Jahren einer der Coverboys der Globalisierung, präsentierte eine NGO, die Jobs für die Ärmsten der Armen schafft. Im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu genügen bereits fünfzig Dollar, um eine Existenz zu gründen. Dabei setzt "Hand-in-Hand" gezielt auf Frauen. Die sind laut Barnevik nämlich zuverlässiger und solidarischer.

Eine ähnliche Beobachtung hat Anthony Patt in Ostafrika gemacht: Dort untersuchte der IIASA-Risikoforscher in einem Modellprojekt mit Bauern, ob aufgrund der Fernwirkung der El-Nino-Strömungen im bevorstehenden Jahr eher mit Trockenheit oder mit Niederschlägen zu rechnen war. Während die meisten Männer ihre Felder bepflanzten, wie sie es immer taten, richteten sich die Bäuerinnen nach Patts Prognose - und konnten ihre Ernte deutlich steigern. (Stefan Löffler/DER STANDARD, Printausgabe, 21. November 2007)