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Jeffrey Sachs (53) leitet das Earth Institute an der Columbia University in New York.

Foto: AP/Danny Johnston
Aufgrund des Klimawandels müssten wir uns einschränken, sagen Experten. Doch damit allein kommt man nicht weit, erwidert Jeffrey Sachs. Stefan Löffler sprach mit dem Entwicklungsökonomen.

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STANDARD: Sie versuchen nicht weniger, als die Probleme der Welt zu lösen. Woher nehmen Sie Ihren Optimismus?

Sachs: Weil ich in Afrika mit eigenen Augen gesehen habe, welche dramatischen Fortschritte mit bescheidenen Mitteln möglich sind, um landwirtschaftliche Erträge zu steigern, die Wasserversorgung zu sichern oder die Ausbreitung von Aids zu verhindern. Doch fast immer, wenn man die Lösung hat, fehlen die Mittel. Das liegt daran, dass wir es dort mit den ärmsten Menschen auf dem Planeten zu tun haben. Die Politiker sagen darauf: Entwicklungshilfe funktioniert nicht, wir wollen nicht noch mehr Geld in dieses Fass ohne Boden schütten.

STANDARD: Werden die Probleme falsch verstanden?

Sachs: Ja, Gemeinplätze verstellen den Blick auf konkrete Lösungen. Das gilt auch für die Klimakrise. Viele meinen, wir müssen uns einschränken. Aber damit kommen wir nicht weit. Das Problem ist nicht, dass wir Energie verbrauchen, sondern dass wir dabei Kohlendioxid freisetzen. Konzentrieren wir uns also auf das eigentliche Problem und fangen das Kohlendioxid ein oder investieren in emissionsfreie Energie.

STANDARD: Das gilt als sehr teuer.

Sachs: Es kostet etwas weniger als ein Prozent des Welteinkommens, die Klimakrise zu bewältigen. Für eine so schwere Krise ist das wenig.

STANDARD: Klimawandel ist nicht das einzige globale Problem. Die Kosten summieren sich.

Sachs: Nicht zu sehr. Dazu kommen 0,7 Prozent, um extreme Armut zu überwinden. Der Schutz der Biodiversität, die Stabilisierung der Weltbevölkerung und ein paar andere Punkte addieren sich auf ein halbes Prozent. Alles zusammen kostet 2,5 Prozent des Welteinkommens.

STANDARD: Zwölfmal so viel, wie derzeit für Entwicklungshilfe ausgegeben wird.

Sachs: Aber damit schaffen wir eine Welt, die nachhaltig ist. Wir könnten das aufbringen. In den USA geben wir derzeit fünf Prozent fürs Militär aus. Die Hälfte davon in Nachhaltigkeit umzuleiten, würde die Welt sicherer machen.

STANDARD: Vor einigen Jahren haben auf Initiative des Politologen Björn Lomborg Wissenschafter berechnet, dass Maßnahmen gegen Malaria und Aids ungleich mehr Nutzen stiften, als wenn die gleichen Mittel in den Klimaschutz fließen.

Sachs: Aber er hat einen unglaublich geringen Betrag vorgegeben.

STANDARD: Immerhin 50 Milliarden Dollar.

Sachs: Verteilt auf fünf Jahre. Das ist ein minimaler Betrag für eine Welt, die jährlich 50 bis 60 Billionen erwirtschaftet. Lomborg hat mit Absicht sehr konservative Grenzen gesetzt. Er wollte, dass herauskommt: Investiert nicht gegen Klimawandel sondern gegen Malaria! Ich finde, wir können ehrgeiziger sein.

STANDARD: Wie brechen Sie den Widerstand von Politik und Wirtschaft?

Sachs: In den USA sind viele der größten Unternehmen einem Aktionsplan gegen den Klimawandel beigetreten, vor kurzem sogar ExxonMobil. Im Weg stehen jetzt nicht die Wirtschaftsführer sondern die Politiker. Die USA hat eine schreckliche Führung, die der Wissenschaft gegenüber feindlich eingestellt ist und die Probleme kleinredet. Aber mit einem neuen Präsidenten, der den Klimawandel so ernst nimmt wie Gordon Brown, Angela Merkel und Nicolas Sarkozy können wir gemeinsam China gegenübertreten und, wenn wir dabei Chinas berechtigten Anspruch auf Entwicklung berücksichtigen, mit ins Boot holen.

STANDARD: 2006 war der Klimawandel ein großes Thema in den USA. Wird nun im Wahlkampf überhaupt noch davon gesprochen?

Sachs: Glauben Sie mir, das Thema ist noch da. Wer am 20. Januar 2008 ins Weiße Haus einziehen wird, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Strategie gegen den Klimawandel den Wahlkampf geführt. (DER STANDARD, Printausgabe, 21. November 2007)