Die OECD hat das chinesische F&E-System kürzlich analysiert und kommt zu dem Schluss, dass sich der Riese China auch in der Innovation auf dem Weg zur Großmacht befindet. Die Wachstumsrate bei den F&E-Ausgaben liege in der Nähe von 20 Prozent. Mit einer Quote von nicht einmal 1,23 Prozent ist der Abstand zu Industrieländern wie Japan, den USA oder Finnland allerdings noch beträchtlich (siehe Grafik).
Wo viel Licht ...
Ob es bis zu der international als Messlatte dienenden Drei-Prozent-Quote (des Bruttoinlandsprodukts, BIP) noch ein langer Marsch ist oder doch "nur" ein einziger großer Sprung, darüber waren sich die Diskutanten in dem vom Infrastrukturministerium unterstützten Club Research am Montagabend nicht einig.
Wirtschaftsforscher Gernot Hutschenreiter von der OECD ortet einige Schwächen in Chinas Innovationssystem, die einen internationalen Vergleich schwer machten. So gibt es wohl massive Investitionen in spezialisierte Wissenschafts-Infrastruktur, aber ein "Gleichgewicht zwischen den materiellen Investitionen und dem Humankapital, das diese Infrastruktur auch nutzen kann", gibt es laut Hutschenreiter nicht. Außerdem gebe es "mehr E als F", also mehr Entwicklung als Forschung, was auch daran liegt, dass die privaten F&E-Investitionen nur zu einem geringen Teil von chinesischen Unternehmen getätigt werden. Bei vielen F&E-Investitionen handelt es sich um Direktinvestitionen ausländischer Konzerne.
... ist auch Schatten
Letztere wiederum tragen maßgeblich dazu bei, dass China Weltmeister im Lowtech-Sektor ist, aber - gemessen an seinen Aufwändungen - ein Zwerg in der für die Robustheit einer Innovationsgesellschaft spielentscheidenden Hightech-Industrie. Das neue Patentrecht, das ausländische Investoren künftig dazu zwingen soll, selbst scheinbar unbedeutende Entwicklungen in der Prozesstechnik beim Patentamt offenzulegen, dürfte diese Schieflage noch verschärfen. Zumal laut Sinologie-Professorin Susanne Weigelin nicht klar ist, wie nachhaltig der politisch-gesellschaftliche Reformprozess in China sei.
Darüber hinaus trage der Mangel an Grundlagen- und angewandter Forschung zur relativ geringen Zahl an patentierbaren Innovationen bei, relativiert Hutschenreiter das chinesische Zahlenmaterial. Das zeige sich insbesondere beim wissenschaftlichen Personal, das sich in absoluten Zahlen zwar rapide vermehrt, aber enorm große regionale Unterschiede in der Ausbildungsqualität aufweist.
Wo so viel Schatten ist, gibt es natürlich auch viel Licht: Das "dynamische wirtschaftliche Umfeld erzeugt eine enorme Sogwirkung, sagt Hutschenreiter, das durch das starke Bekenntnis der chinesischen Regierung, die Entwicklung zu unterstützen, das extrem rasche Lernen von "Best-practice-Beispielen" und die breite soziale Akzeptanz von Wissenschaft und Forschung zusätzlich verstärkt wird. Das dürfte auch der Grund sein, warum die ausländischen F&E-Investitionen unvermindert anhalten, wenngleich Konzerne wie Siemens bezüglich der verschärften Patentvorschriften skeptisch sind.
Die Gefahr, dass die Industrie nach der Produktion auch die F&E-Aktivitäten konsequent nach China verlagert, sehen Wirtschaftsforscher wie Hutschenreiter oder Martin Berger von Joanneum Research übrigens nicht: Die derzeitigen F&E-Aktivitäten beschränkten sich vor allem auf Produkt- und Prozessverbesserungen und Anpassung der Produkte an den lokalen Markt, schreibt Berger in einer Studie.