Wien – Wann hat wer wen über die Existenz des neuen islamistischen Videos informiert, das zum Teil auch Drohungen an Österreich enthält? Kamen diese Informationen rechtzeitig, um mögliche Gefahren abzuwenden? Diese Fragen konnten auch am Mittwoch nicht auf eine für alle involvierten Stellen und Behörden befriedigende Art und Weise beantwortet werden.

Die Anklagebehörde wurde laut dem grünen Sicherheitssprecher Peter Pilz „eindeutig zu spät“ informiert. Bei der Staatsanwaltschaft Wien sei immerhin das Verfahren gegen die in Zusammenhang mit dem ersten Drohvideo von März 2007 verhafteten Mohamed M. (22) und Mona S. (20) anhängig – die beiden sitzen im Strafgefangenenhaus Josefstadt ein. Somit seien die dortigen Richter und Staatsanwälte als direkt in den Fall Involvierte zu betrachten und „als Allererste von einer vielleicht bestehenden Bedrohung zu informieren“.

Dem widersprach am Mittwoch Platter-Pressesprecher Rudolf Gollia: „Die Staatsanwaltschaft Wien erfuhr von uns bereits Montagnachmittag, dass es ein neues Drohvideo gibt.“ Dies sei „unmittelbar nach dem Zeitpunkt gewesen, zu dem wir selber informiert wurden“.

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Gerhard Jarosch, sieht das anders: Man sei „zunächst nicht umfassend informiert“ worden, sagte er. Ein Beamter des Bundesamtes für Verfassungsschutz habe dem zuständigen Staatsanwalt am Montag am Telefon nicht gesagt, dass in dem Video versucht werde, die zwei Terrorverdächtigen aus der U-Haft freizupressen. „Das hat unsere Behörde erst am nächsten Tag erfahren“, erklärte Jarosch. Für die Einschätzung der Lage wäre das aber „nicht ganz unwesentlich gewesen“, etwa in Hinblick auf Sicherheitsvorkehrungen.

Immerhin konnte am Mittwoch ein – laut Bundeskanzler Alfred Gusenbauer – „Missverständnis“ in Hinblick auf die Informationskette zwischen dem Innen- und dem Justizministerium aufgeklärt werden: Letzteres sei „sehr wohl ausreichend“ von der Drohbotschaft in Kenntnis gesetzt, widersprach der Regierungschef der Kritik von Justizministerin Maria Berger vom Vortag.

Muslime als Ziel

Das Video bedrohe weniger österreichische Politiker und die breite Bevölkerung, sondern gemäßigte muslimische Vertreter, sagte am Mittwoch der Islamwissenschafter Mouhanad Khorchide von der Universität Wien. Verdammt würden Muslime, die für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und den Dialog mit Christen und Juden eintreten. Der „Abfall vom Glauben“ werde in der Botschaft „als größere Sünde bezeichnet als der Unglauben an sich“.

Bei Pilz wiederum löste die Ankündigung Platters, die Online-Fahndung forcieren zu wollen, um Drohvideomachern künftig rascher auf die Spur zu kommen, Kritik aus. Der Einsatz sogenannter Regierungstrojaner hätte die Verbreitung der Aufnahmen nur verhindern können, „wenn schon vorher auf den Computerfestplatten der Videomacher ein solcher Trojaner eingeschleust worden wäre“. Das sei angesichts deren konspirativer Strukturen „unwahrscheinlich“. BZÖ-Chef Peter Westenthaler forderte hingegen eine „SOKO Islam“. (Irene Brickner/DER STANDARD, Printausgabe, 22.11.2007)