Den Haag - Hoffnung für den weltberühmten Anne-Frank-Baum in Amsterdam: Die durch das Tagebuch der Anne Frank bekanntgewordene Kastanie darf vorerst nicht gefällt werden. Ein Richter in der niederländischen Hauptstadt stoppte am Dienstagabend die Pläne zum Fällen des mehr als 150 Jahre alten Baumes, einen Tag, bevor er wegen Einsturzgefahr zersägt werden sollte.
Mehrere Kläger, unter ihnen die niederländische Baumstiftung, hatten gegen die Genehmigung zum Fällen der 27 Tonnen schweren weißen Rosskastanie Einspruch eingelegt. Im Gegensatz zu den Gutachten der Stadt sind sie aufgrund eigener Untersuchungen überzeugt, dass der symbolträchtige Baum durch Stützen gerettet werden kann. Mit seiner Einstweiligen Verfügung zugunsten der Kläger hat das Gericht noch kein endgültiges Urteil gefasst. Es kann das Fällen des Baumes später noch genehmigen. Der Richter rief aber beide Seiten auf, eine gemeinsame Lösung zu finden - und zwar bis Ende Jänner. Mehrere Versicherungen erklärten sich bereit, das Risiko bis dahin abzudecken.
Die niederländische Anne-Frank-Stiftung will nun einen Ableger pflanzen, falls die morsche Kastanie entfernt werden sollte. "Am allerwichtigsten ist für uns die Sicherheit", sagte eine Sprecherin der Stiftung am Mittwoch: "Niemand kann garantieren, dass die Kastanie nicht zusammenbricht." Weil die Entfernung des Baumes schon länger absehbar gewesen sei, habe man bereits einen inzwischen zwei Meter großen Ableger gezüchtet: "Damit könnten wir an derselben Stelle einen genetisch identischen Baum pflanzen".
Blüte als Hoffnungssymbol
Die Kastanie steht auf einem von der Straße aus nicht einsehbaren Hinterhof zwischen der Prinsengracht und der Keizersgracht im Zentrum von Amsterdam. Dort hatte sich die aus Deutschland stammende Familie von Anne Frank während des Zweiten Weltkrieges zwei Jahre lang vor den Nationalsozialisten versteckt.
Von ihrer kleinen Kammer aus blickte Anne immer wieder auf den Baum. In ihrem Tagebuch hielt sie fest, wie sehr sie sich über dessen Blüte freute. Das Versteck der Familie Frank wurde im August 1944 verraten. Anne, ihre Schwester Margot und ihre Mutter starben im Konzentrationslager. Nur der Vater überlebte. Er berichtete viele Jahre später, wie ergriffen er war, als er im Tagebuch seiner Tochter las, was der Blick aus dem Versteck auf die Natur und insbesondere auf die Kastanie für sie bedeutete.