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Finanzminister Alistair Darling gerät wegen des Verlusts von Daten unter Druck.

Foto: Peter Macdiarmid/Getty Images
London - Bei Banken klingelten die Telefone, Radiosender hoben Sondersendungen ins Programm, im Parlament sah sich der Premier dem Spott der Opposition ausgesetzt: Einen Tag nach der dramatischen Neuigkeit, dass eine Behörde eine Kopie der persönlichen Daten von 25 Millionen Briten verloren hat, war der größte Datenschutz-Skandal in der britischen Geschichte am Mittwoch Thema Nummer eins.

Nachdem am späten Dienstagnachmittag der zuständige Finanzminister Alistair Darling den "katastrophalen und unverzeihlichen" Sachverhalt publik gemacht und den Behördenleiter zum Rücktritt gezwungen hatte, entschuldigte sich auch Regierungschef Gordon Brown vor dem Unterhaus und kündigte Maßnahmen für besseren Datenschutz an.

25 Millionen Menschen betroffen

Den Angaben des Schatzkanzleramts zufolge hatte der Rechnungshof im Oktober die nachgeordnete Behörde des Ministeriums im nordenglischen Newcastle überprüft, die für die Zahlung von Kindergeld zuständig ist. Ein Mitarbeiter des Amtes lud die Daten von den 7,25 Millionen Familien des Landes mit Kindern unter 16 Jahren - Namen, Geburtsdaten, Versicherungsnummern, Bankkonten von immerhin 25 Millionen Menschen - auf zwei CDs und schickte diese ohne Einschreiben nach London. Um Geld zu sparen, bedient sich die Behörde des privaten Kurierdienstes TNT, der einen Vertrag mit der Royal Mail hat. An welcher Stelle der Umschlag verschwand, ist ungeklärt. Fest steht: Seit mehr als einem Monat fehlt davon jede Spur.

Kontobewegungen

Bisher gibt es keine Hinweise, dass die Personaldaten in die Hände von Gangstern geraten sind. Jedenfalls haben die Banken "bisher keine ungewöhnlichen Kontobewegungen festgestellt", wie Darling dem Unterhaus sagte. Sollten die Ermittlungen der Polizei über die Behördenschlamperei hinaus auch kriminelles Handeln zutage fördern, müsste Darling wohl zurücktreten. Der Minister gilt ohnehin als angeschlagen, weil er der Finanzkrise um die illiquide Hypothekenbank Northern Rock nicht Herr wird.

Neue Vorwürfe der Opposition

Die Opposition erhöhte am Donnerstag den Druck auf die Regierung von Premierminister Gordon Brown noch. Aus einer Notiz des Rechnungsprüfungshofs gehe hervor, dass sensible Daten aus Kostengründen vor der Übermittlung nicht entfernt worden seien, erklärte der finanzpolitische Sprecher der Konservativen, Philip Hammond, am Donnerstag laut einem Bericht der Nachrichtenagentur PA.

Der Rechnungsprüfungshof, der die Daten anforderte, habe verlangt, dass sensible Informationen wie Bankverbindungen entfernt würden. Die Steuerbehörde habe darauf geantwortet, dass dies nicht möglich sei, da das eine zusätzliche Zahlung an eine IT-Firma bedeuten würde. In diese Entscheidung sei ein beigeordneter Direktor der Behörde einmarkiert gewesen. Vor dem Unterhaus habe Finanzminister Alistair Darling die Lage am Mittwoch so dargestellt, dass sich ein untergeordneter Beamter regelwidrig verhalten habe. (red, Sebastian Borger aus London/DER STANDARD, Printausgabe 22.11.2007)