Wie die Lichtbahnen vom Auge ins Gehirn gehen

Grafik: Klinische Abteilung für Biologische Psychiatrie, AKH Wien

Patientin mit Lichttherapie-Gerät

Foto: Standard/Christian Fischer
Die Tage trüb, die Nächte lang, die Augen bekommen wenig Licht – da fühlen sich viele Menschen müde. Manche leiden in der dunklen Jahreszeit aber unter einer ernsthaften Herbst-Winterdepression, auch saisonal auftretende Depression (SAD) genannt.

"Offensichtlich führt bei diesen Menschen der Lichtmangel zu einer depressiven Verstimmung. Das heißt, man kann auch von einer Lichtmangel-Depression sprechen", erklärt Siegfried Kasper, Leiter der Klinischen Abteilung für Biologische Psychiatrie am Wiener AKH, im Gespräch mit derStandard.at.

Zu wenig Serotonin

Die Ursache dafür haben Forscher am Wiener AKH näher erforscht: Bei depressiven Patienten kann ein Mangel des Botenstoffs Serotonin festgestellt werden. "Das konnten wir durch bildgebende Verfahren nachweisen und haben festgestellt, dass im Zwischenhirnbereich und im Hirnstamm zu wenig Serotonin vorhanden ist", so Kasper. Das Serotonin, auch als "Glückshormon" bekannt, ist ein so genannter Neurotransmitter, ein Botenstoff im Gehirn, der zur chemischen Übertragung zwischen den verschiedenen Nervenzellen benötigt wird.

Überaktives Transportsystem

Doch das war den Forschern noch zu wenig. Sie sind dem Rätsel, warum zu wenig davon vorhanden ist, näher nachgegangen: "Wir haben herausgefunden, dass einer dieser Mechanismen, der auf den Neuronen draufsitzt, der so genannte Serotonintransporter, zu viel Serotonin wieder aus dem synaptischen Spalt herauspumpt. Das heißt ein ganz wesentlicher Bestandteil ist überaktiv." Die Ergebnisse der rund vierjährigen Arbeit der Forscher wurden neulich auch im amerikanischen Journal für Neuro-Psychopharmakologie veröffentlicht.

Licht bringt Transport wieder ins Lot

Gut therapiert werden kann die SAD mit einer Lichttherapie. Doch warum ist gerade sie so wirksam bei dieser Depressionsform? Die Frage beantwortet Kasper so: "Die Lichttherapie wirkt über die Augen. Das Auge ist ein vorgeschobener Teil des Gehirns, worüber das Licht aufgenommen und in Nervenimpulse, in die Zwischenhirnbereiche und auch in den Hirnstamm weitergeleitet wird." Also jene Bereiche, von denen das Team herausgefunden hat, dass sie bei den SAD-Patienten verändert sind. Durch das Licht kommt es in weiterer Folge zur Verbesserung des Serotoninstoffwechsels, die Serotonin-Transporter können wieder normal arbeiten.

Testlampe für zuhause

Das AKH hat eine Spezialsprechstunde für Menschen, die vermuten, dass sie unter SAD leiden könnten. "Der Patient bekommt eine Lampe für die Lichttherapie mit nach Hause. Spricht er darauf an, bitten wir ihn, dass er sich eine Lampe besorgt", erklärt Kasper. Die Lampen kosten durchschnittlich zwischen 200 und 300 Euro. "Die Kosten dafür werden leider nicht von den Krankenkassen übernommen", bedauert der Psychiater.

Tägliche Behandlung

Die Therapie erfolgt täglich zuhause, bei einer Intensität von mindestens 3.000 Lux sollte man zirka eine Stunde davor sitzen und das in einer Entfernung von 60 bis 70 Zentimetern. "Man kann daneben lesen, schreiben, frühstücken, wichtig ist nur, dass das Auge in unmittelbarer Nähe dieser Lichtquelle ist." Anwenden sollte man die Therapie über die Zeitspanne der dunklen Jahreszeit. "Wenn man aber beispielsweise eine Woche Skifahren geht, braucht man nicht auch noch Lichttherapie dazu machen. Die Therapie kann man auch durch einen Spaziergang in der Sonne unterstützen."

Hohe Ansprechrate

Laut Kasper werden mit der Lichttherapie sehr gute Erfolge erzielt: Es hat sich herausgestellt, dass mindestens 80 Prozent der Patienten mit Herbst-Winterdepression darauf ansprechen. "Diese sagen meist bereits nach drei, vier Tagen, dass es ihnen gut tut, sie haben mehr Schwung, müssen weniger essen und schlafen."

Nicht so gut ist die Ansprechrate bei Menschen, die gleichzeitig eine Angsterkrankung, zum Beispiel eine Panikstörung haben. Aber auch eine Kombination der Lichttherapie mit Antidepressiva sei möglich, so Kasper.

Heilung mit Licht

Die Lichttherapie könne auch bei einem Jetlag eingesetzt werden oder bei Alzheimerpatienten. Das Licht hilft ihnen dabei wieder in einen normalen Tagesrhythmus hineinzufinden. Weiter im Norden Europas versucht man der allgemeinen seelischen Angeschlagenheit in der Winterzeit mit einem Licht-Cafe entgegenzuwirken. Der Idee des Iglo Ljuscafe im schwedischen Stockholm kann der Wiener Psychiater durchaus Positives abgewinnen: Immerhin bis zu 3000 Lux bekommt man bei einem Besuch dort ab. (Marietta Türk, derStandard.at, 22.11.2007)