Was einst Rockstars nur zum Spaß getan haben, wird in Hans Weingartners "Free Rainer" zur trotzigen Geste eines TV-Produzenten (Moritz Bleibtreu), der die Menschen von ihrer Unmündigkeit befreien will.

Foto: Filmladen

Geht das denn? Nicht glaubwürdig, wenn man sich dabei erst recht der Mittel des Schundfernsehens bedient.

Wien – Das Dumme am Kampf gegen das Fernsehen ist, dass dieser mittlerweile verstaubter erscheint als das Medium selbst. Dabei würde niemand behaupten wollen, dass er mit der Rolle, die es in unserer Gesellschaft innehat, zufrieden ist. Medienkritik, die uns im Stile eines Neil Postman ("Wir amüsieren uns zu Tode!") weismachen will, dass wir alle zum Narren gehalten werden, ist dennoch obsolet. Längst wissen wir es alle besser und tun es trotzdem.

Dass die fernsehkritische Strategie von Hans Weingartners neuem Spielfilm "Free Rainer – Dein Fernseher lügt" so anachronistisch wirkt, liegt daran, dass er tatsächlich noch glaubt, wir wüssten es nicht. Er versteht sich nicht als Satire, die die herrschende Medienlage mit Spott versieht, sondern als rührend weltverbesserisches Alternativprogramm: bitte umschalten!

Rainer (Moritz Bleibtreu), die so zynische wie kaputtgekokste Titelfigur, nimmt den Kampf gegen Windmühlen auf, nachdem er von Pegah (Elsa Sophie Gambard), einer jungen Frau, die sich an ihm rächen will, mit dem Auto gerammt wurde. Gerade hat er noch Shows wie "Hol dir das Superbaby" produziert, da quälen ihn moralische Skrupel: Er fragt sich, ob es auch anders geht. Seine Aufmerksamkeit gilt der Verlässlichkeit der Quote, die schuld daran ist, dass das Niveau von Tag zu Tag weiter sinkt.

Wie schon "Die fetten Jahre sind vorbei" versucht "Free Rainer" die Erfordernisse eines Unterhaltungsfilm mit einer politischen Vision in Einklang zu bringen. Die jungen Leute aus dem ersten Film hatten ein diffuses globalisierungskritisches Anliegen, das sie mit einer erzieherischen Note unters Volk brachten. Rainer treibt ein vergleichbarer Missionierungsdrang an, er möchte die Dummen ein wenig gescheiter machen, indem er das Unterschichtsfernsehen einfach abschafft.

Quote und Geschmack

Der kulturoptimistischen Devise Weingartners nach gelingt das durch Manipulation der Quote und eine Art Geschmackstraining, das auf die Macht der Gewohnheit vertraut. Wenn man den Zuschauern nur lang genug Hochgeistiges vorhält, dann finden diese daran auch gefallen: eine Utopie, die in ihrem bildungsbürgerlichen Überschwang wie eine nostalgische Rückeroberung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens des vergangenen Jahrhunderts wirkt.

Rainer rekrutiert einen Trupp aus Arbeitslosen, Alkoholikern und Obdachlosen und bildet mit ihnen eine geheime Zelle, die schließlich ausrückt, das Land vom TV-Schund zu befreien. Die sehen allerdings so aus, als hätten sie sich gerade aus diesem herausgebeamt. So blauäugig die politische Vision der Quotenumpolung bleibt, so unausgegoren sind nämlich die inszenatorischen Mittel, mit denen sie Weingartner umsetzt.

Die zentralen Protagonisten – neben Rainer und Pegah ein von Milan Peschel verkörperter soziopathischer Sicherheitsbeamte – und ihre mitunter schmerzhaft einfältigen Dialoge ("Das Geld war schon immer der Anfang vom Ende jeder Revolution.") könnten genau jener TV-Filmpraxis entsprungen sein, gegen die der Film seinen selbstgerechten Zorn richtet.

Weingartner wendet nicht die Form gegen ihre Intention, indem er sie übersteigert zum Einsatz bringt – ein Verfahren, das zum Beispiel Paul Verhoeven zur Perfektion getrieben hat. Und dafür mangelt es ihm nicht nur an Humor. Die Mischung aus musikalisch zugequetschten Sequenzen, Edeltrash-Humor-Einlagen und naivem Revolutionspathos meint es tatsächlich ernst mit uns – sodass man sich unweigerlich fragt, ob eine Welt, die dem Programm dieses Films folgen würde, nicht die noch viel schlimmere wäre. (Dominik Kamalzadeh / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.11.2007)