Ewald Palmetshofer sammelte bereits Theatererfahrungen in New York.

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Wien – Sitzt man dem freundlichen Oberösterreicher Ewald Palmetshofer (29) in der Schneiderei des am Donnerstag (19 Uhr) neu zu eröffnenden Wiener Schauspielhauses gegenüber, stellt man sich unwillkürlich die Frage: Was treibt ein "Hausautor" den lieben langen Tag, wenn er nicht gerade Hand an den Text "hamlet ist tot. keine schwerkraft" legt?

Diese in heftigen Sprachspiralen ausufernde Untergangsvision einer sich am Generationenelend schnöde verschluckenden Wohlstandsfamilie bildet im Verein mit Händl Klaus' "Ich ersehne die Alpen; ..." den ersten Doppelpack unter Andreas Becks intendantischer Leitung (Regie: Felicitas Brucker und Daniela Kranz). Morgen Freitag wird nachgelegt: Auf Gerhild Steinbuchs "schlafengehn" (Regie: Barbara-David Brüesch) folgt Johannes Schrettles "wie ein leben zieht mein koffer an mir vorüber" (Christoph Ernst).

"Für einen 'Hausautor' gibt es konkret im deutschsprachigen Raum keine Tradition", pflichtet Palmetshofer bei: "Das muss man neu erfinden – und sodann im Vollzug feststellen, was sich daraus ergibt." Er würde Teilhaber an einer "künstlerischen Idee", deren Ausformulierung freilich noch aussteht: "Das muss ich mich selbst fragen: Was ist der Kern, der hier in der Porzellangasse gesucht wird?"

Was das Theater "konkret an ihm gefunden zu haben glaubt" – das wüsste er spontan nicht zu sagen. Die Schauspieler habe er inzwischen kennengelernt. An den Proben nehme er häufig teil. Ersteindrücke, die sein Schreiben angeleitet hätten, könne er nunmehr korrigieren. "Die Regisseurin Brucker und ich haben einander wenig geschenkt."

"Knirschpunkte" würden verlässlich ausgekundschaftet. ("Da kann ich mich nicht aus der Affäre ziehen! Und wenn ich noch so oft denke: Das war jetzt theoretisch zwar klug gewollt ..." Brecht pflegte zu sagen: Der Kuchen beweist sich beim Essen. Das Stück erweist seine Qualität auf der Probe.)

Sein hamlet dreht sich ohne Unterlass: Wenn das Stück anfängt, ist es sozusagen schon wieder aus. Was wiederum damit zusammenhängt, dass sich Plametshofer sehr genau überlegt hat, was das denn überhaupt sei – die Gegenwart? Die Geschwister Dani und Mani treffen das befreundete Pärchen Bine und Oli – ausgerechnet auf dem Begräbnis eines gewissen Hannes, eines drogenkranken Jünglings, den der eigene Vater mit der Flinte ins Jenseits befördert hat.

Es könnte nun sehr gut sein, dass Dani und Mani dasselbe noch einmal erleben (müssen) – mit einem Schweinsbraten-kochenden Elternpaar im Rücken, dessen mütterlicher Teil die lästige 95-jährige Oma abzumurksen trachtet.

Die Figuren kreisen in überkippenden Satzmonstren ihre nicht immer klar durchschaubaren Ansichten ein. Punkte bilden lange Geraden – dazwischen werden himmlisch leere (Text-)Flächen ausgespannt. Palmetshofer treibt eine virtuose Kunst der dramatischen Schraffur: Irgendwie ist das alles hochpolitisch. Nur ersetzt die Reflexion unhaltbarer, unklarer Zustände noch lange nicht ein politisch verantwortliches Handeln.

Kriminelle Energien schlummern in dieser bis in alle Ewigkeit ausgedehnten Gegenwart zuhauf. Will Palmetshofer aufrütteln? "Ich habe das Bild vom leeren Himmel gewählt. Seit Gott 'tot' ist, befindet sich dort oben eine Maschine. Sie läuft und läuft – sie wirft nur keine brauchbaren Ergebnisse aus." Fragt man den Mühlviertler, der heuer auch das Stück "wohnen. unter glas" im Schauspielhaus abliefert, nach Vorbildern, so folgen Theoretikernamen: Alain Badiou. Jacques Derrida. Das "Ereignis" – kommt es irgendwann? Immerhin hat der Lehramtspädagoge auch einmal Theologie studiert. (Ronald Pohl / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.11.2007)