Martin Pollack übersetzte Ryszard Kapucinski.
Christa Schuenke: "Das Haus" von Danielewski.
Werner Richter: das Gesamtwerk von T. C. Boyle.

Fotos: STANDARD/Hendrich - J. Bauer

Wien – Normalerweise sieht man sie nicht. Höchstens in Fußnoten oder Halbsätzen finden sie Erwähnung. Die Rede ist von den literarischen Übersetzern, ohne die es freilich keine Weltliteratur gäbe und der Literaturbetrieb zusammenbrechen würde. Nun sind ihnen die Erich Fried Tage 2007 im Literaturhaus in Wien gewidmet. DER STANDARD hat drei namhafte Übersetzer und Teilnehmer befragt, die im Rahmen der dreitägigen Veranstaltungsreihe zum Thema im Literaturhaus diskutieren.

Standard (Sebastian Fasthuber): Wie wird man literarischer Übersetzer?

Pollack: Wenn man sich intensiv mit einer fremden Sprache und damit einer fremden Kultur auseinandersetzt, taucht irgendwann der Wunsch auf, dieses Wissen mit anderen zu teilen. Ich lernte Polnisch, studierte in Polen, und nach meiner Rückkehr bemerkte ich, dass ich in Österreich einer der Wenigen war, die über die polnische Literatur einigermaßen Bescheid wussten.

Schuenke: Bei mir war es so, dass ich zu meinem eigenen Schreiben nur bedingt Zutrauen hatte. Also hielt ich es für eine ideale Kombination, meine Lust an schreibender Betätigung mit meinem missionarischen Drang, was Literatur betrifft, im Übersetzen zu verbinden.

Standard: Als was sehen Sie sich – Vermittler, Handwerker, Künstler?

Richter: Das schließt einander alles nicht aus. Ein sprachliches Kunstwerk angemessen in einer anderen Sprache vermitteln zu können bedarf einer eigenschöpferischen Kraft, vor allem wenn der Text stark formbestimmt ist. Und für jeden kreativen Prozess muss man zunächst mal die Technik richtig beherrschen.

Pollack: Ich glaube auch, dass man von jedem etwas haben muss. In meinen Augen ist die Rolle des Vermittlers besonders bei Sprachen, die außerhalb des jeweiligen Landes oder Kulturkreises nur von wenigen Menschen gesprochen werden, besonders wichtig. Der Übersetzer sollte auch literarischer Scout sein.

Standard: Wie ist das Verhältnis zu "Ihren" Autoren?

Richter: Ich habe schon immer versucht, mit meinen Autoren in Kontakt zu treten. T. C. Boyle habe ich kennengelernt, als er vor über zehn Jahren mal in Wien war. Er ist ein sehr sympathischer Kerl, auch ganz anders als seine Punk-Persona.

Pollack: Ich gehöre nicht zu den Übersetzern, die dem Autor viele Fragen stellen. Mit Ryszard Kapuscinski verband mich jedoch eine tiefe Freundschaft. Ich glaube, dass es wichtig ist, einem Autor die Treue zu halten. Ich darf nicht warten, dass der deutschsprachige Verlag von sich aus auf mich zukommt, ob ich auch den nächsten Titel eines Autors übersetzen möchte. Es liegt an mir, das vorzuschlagen, gegebenenfalls darauf zu drängen.

Standard: Wie gehen Sie an ein Buch heran?

Pollack: Ich übersetze in der Regel nur Bücher, die ich selber vorschlage. Zunächst ist es daher nötig, einen Verlag von diesem Buch zu überzeugen. Bei vielen Werken braucht es umfangreiche Recherchen, auch um sich das nötige Vokabular zu erarbeiten. Kapuscinskis "Reisen mit Herodot", in dem sich umfangreiche Zitate von Herodot finden: Dafür war es nötig, einige Übersetzungen von Herodot zu nehmen, um zunächst einmal herauszufinden, welche deutsche Übersetzung sich am Besten eignet. Erst dann beginnt die Arbeit am Text.

Schuenke: Normalerweise lese ich nicht das ganze Buch im Voraus. Einzige Ausnahme ist mein Stammautor John Banville, bei dem ich jedes neue Buch sofort verschlinge. Im Allgemeinen lese ich die ersten 25 Seiten, ein paar Seiten in der Mitte und den Schluss, dann habe ich eine Vorstellung von den Stilmitteln, mit denen ein Autor arbeitet, und kann einschätzen, ob ich mich dem Text überhaupt gewachsen fühle.

Standard: Wie kann der Leser die Qualität einer Übersetzung beurteilen?

Pollack: Wenn er nach ein paar Sätzen merkt, dass es sich um eine Übersetzung handelt, weil er zum Beispiel über Anglizismen oder Polonismen stolpert, kann er das Buch schon weglegen.

Richter: Ja, die wirklich Schlechten sollte man beim Lesen mit freiem Auge erkennen. Viele Verlage sparen sich heute weitgehend das Lektorat, und wenn ein Text so holprig daherkommt, dass eben nicht ein Satz in den anderen greift, oder wenn die Wortstellung so irritiert, dass der Sinn haarscharf daneben liegt, dann hapert es eindeutig an der Übertragung.

Standard: Was braucht es, um in diesem Beruf zu bestehen?

Schuenke: Leidenschaft und Leidensfähigkeit. Ich habe für Danielewskis Monsterroman "Das Haus" etwas über 23.000 Euro Grundhonorar bekommen. Davon kann man nicht 20 Monate lang arbeiten. Wir brauchen dringend gute jüngere Übersetzer. Ich kann aber verstehen, wenn die literarische Übersetzungen allenfalls sporadisch machen und ihren Unterhalt lieber mit Gebrauchstexten bestreiten, wo sie das Zehnfache verdienen können.

Richter: Eigentlich sollten wir eine gesunde und selbstsichere Einstellung gegenüber unserer Arbeit und ihrem Wert haben und uns das auch angemessen vergüten lassen. (Sebastian Fasthuber / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.11.2007)