Der wieder auf ein Rekordtief gefallene Dollar hat den Ölpreis in eine noch nie gesehene Höhe getrieben. Die Energieagentur in Paris sieht den Hauptgrund in zu geringen Förderkapazitäten.

***

Wien – Vor einem Monat hat der Ölpreis die 90-Dollar-Marke übersprungen, gestern, Mittwoch, wurde US-Leichtöl mit 99,29 Dollar je Fass (159 Liter) so teuer gehandelt wie noch nie. Auch die für Europa maßgebliche Nordseesorte Brent kletterte auf ein Rekordhoch von 96,53 Dollar (65,23 Euro) je Fass, bevor die Notierungen wieder leicht nachgaben. Gleichzeitig jagte der Euro vis-à-vis der US-Währung auf ein neues Rekordhoch von 1,48 Dollar.

Entspannung ist nicht in Sicht – im Gegenteil. „Ohne zusätzliches Öl aus den Produzentenstaaten und eine sinkende Nachfrage in den Erdöl konsumierenden Ländern wird der Ölpreis weiter in die Höhe gehen“, sagte der Chefökonom der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol, am Mittwoch bei einem Besuch in Wien: „Es gibt zu wenig Öl am Markt, deshalb ist der Preis so hoch.“ Der IEA-Chefökonom, der an der TU-Wien studiert und selbst einmal für die Organisation erdölexportierender Länder gearbeitet hat, appellierte an die Opec, die Förderhähne aufzudrehen.

Spekulationsanteil: 20 Dollar

Genau das hat aber der Generalsekretär der Opec, Abdullah El Badri, kürzlich in einem Standard-Interview als „nicht notwendig“ bezeichnet. Die Märkte seien mit Erdöl „gut versorgt“, der Höhenflug der Rohölpreise sei auf Spekulation zurückzuführen und die Konsumentenländer seien gut beraten, durch geeignete Maßnahmen gegen diese Form der Spekulation vorzugehen. Auch beim jüngsten Treffen der Staats- und Regierungschef der 13 Mitglieder umfassenden Produzentenorganisation in der saudiarabischen Hauptstadt Riad wurde diese Haltung bekräftigt.

Analysten hingegen vermuten einen Spekulationsanteil von rund 20 Dollar je Fass in den aktuellen Rohölnotierungen. Für Birol ist die Spekulation „der Verstärker, nicht die Ursache des derzeitigen Ölpreishochs.“ Der jüngste Anlauf auf die 100-Dollar-Marke wird auch in Verbindung gebracht mit dem jüngsten, nach unten revidierten Konjunkturausblick der US-Notenbank Federal Reserve für die Vereinigten Staaten. Die Fed befürchtet erstmals eine Rezession. War sie im Juni noch von einem Wachstum zwischen 2,5 und 2,75 Prozent ausgegangen, erwartet sie jetzt nur noch zwischen 1,8 und 2,5 Prozent. Das hat Vermutungen gestärkt, dass die Fed noch im Dezember einen weiteren Zinssenkungsschritt vornehmen wird. Dies würde die Attraktivität von Investitionen in den USA verringern und den Kurs des Euro weiter in die Höhe treiben. Da Rohöl in Dollar gehandelt wird, sinken parallel dazu die Einnahmen der Ölländer – mit ein Grund, warum die Rohölpreise in die Höhe schnellen.

Birol zerstreute Hoffnungen, dass die IEA strategische Erdölreserven freigeben könnte, um dadurch dämpfend auf den Rohölmarkt einzuwirken: „Wegen des hohen Preises machen wir das sicher nicht. Da müsste es schon einen echten Engpass geben, der die Versorgung gefährdet, wie wir das zur Zeit des Irak-Einmarschs in Kuwait (Anfang der 1990er-Jahre; Anm.) hatten oder im Anschluss an den Wirbelsturm Katrina (Sommer 2005, Anm.)“.

Die IEA mit Sitz in Paris glaubt, dass zu hohe Ölpreise weder im Interesse der Produzenten noch der Konsumentenländer liegen. „Alle sind gefordert, etwas zur Entspannung beizutragen“, sagte Birol. Der IEA-Chefökonom plädierte neben einer Steigerung der Ölförderung und einem sparsameren Umgang mit dem schwarzen Gold in den Verbraucherländern auch für eine Verdoppelung der Reservekapazität auf rund fünf Millionen Fass am Tag. (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.11.2007)