Köln - Nach dem Amoklauf-Alarm an einem Kölner Gymnasium und dem Selbstmord eines verdächtigten Schülers häufen sich die Widersprüche zum Vorgehen der Polizei. Ein Sprecher der Bezirksregierung bestätigte am Mittwoch die Aussagen des stellvertretenden Schulleiters im Kölner Stadt-Anzeiger, wonach der Schüler der Polizei bei einer Vernehmung in der Schule entwischte. Der Kölner Polizeipräsident Klaus Steffenhagen hatte die Ereignisse zuvor gegensätzlich dargestellt.
Der Darstellung in der Zeitung zufolge tauchte der Schüler nach einem Gang zur Toilette nicht wieder auf, daraufhin haben sich Lehrer und Beamte gemeinsam auf die Suche nach ihm gemacht, die aber ohne Erfolg geblieben ist. Der 17-Jährige, der in Verdacht stand, die Ermordung von 17 Menschen am Georg-Büchner-Gymnasium zu planen, nahm sich mit einem Sprung vor eine Straßenbahn das Leben.
Gang auf die Toilette
Polizeipräsident Steffenhagen hatte am Dienstagabend erklärt, der Bursch sei nicht geflohen. Vielmehr sei das Gespräch bereits beendet gewesen, als der 17-Jährige erklärt habe, er müsse zur Toilette gehen. Die Beamten hätten daraufhin das Schulgebäude verlassen. "Aus den Ermittlungsakten ergeben sich keine Aussagen oder Tatsachen, die belegen, dass die Beamten wussten, dass der Schüler von der Toilette nicht mehr zurückkehrte", verteidigte der Polizeipräsident das Vorgehen der Beamten.
Mitschuld
Kritiker hatten den Beamten vorgeworfen, den Selbstmord des 17-Jährigen möglicherweise mitverschuldet zu haben. In dem Gespräch hatte die Polizei klären wollen, warum dieser Bilder eines Schulmassakers in den USA auf einer Website veröffentlicht hatte. Seine Eltern waren nach Polizeiangaben nicht hinzugezogen worden, weil es sich um eine sogenannte Gefährderansprache und nicht um eine Vernehmung gehandelt habe.
Frage nach Strategien
Der Kölner Staatsanwalt Alf Willwacher erklärte, er wolle sich zu den unterschiedlichen Darstellungen der Schule und Polizei zunächst nicht äußern. "Wir werden jetzt erst einmal mit beiden Seiten sprechen, um zuverlässig und gesichert Auskünfte erteilen zu können", sagte er.
Früherkennungssystem
Die nordrhein-westfälische Polizeigewerkschaft wies die Kritik an der Kölner Polizei unterdessen erneut zurück. "Die Schlaumeierdiskussionen im Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz sind verantwortungslos und unerträglich", sagte der Vorsitzende Rainer Wendt. Sie provozierten Nachahmungstäter und Trittbrettfahrer. "Die Kritiker sollten sich lieber darum bemühen, wie man langfristig Strategien und Konzepte entwickeln kann, um ein praktikables Früherkennungssystem aufzubauen."
Herausforderung für die Polizei
Der Polizeiausbilder Udo Tönjann erklärte im ZDF, ein Amoklauf sei immer eine große Herausforderung für die Polizei. Der Zeitdruck sei enorm. "Die Einsatzkräfte vor Ort müssen in der Lage sein, sofort zu handeln." Polizisten in Nordrhein-Westfalen würden darauf speziell vorbereitet, und zwar durch theoretischen Unterricht, rechtlich-ethische Schulung und taktische Unterweisung.