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Vor dem Georg-Büchner-Gymnasium in Köln bewacht ein Mitarbeiter des Ordnungsamts den Schulweg, der Einsatz der Polizei beim Verdacht auf Amoklauf steht weiter unter Kritik

Foto: AP/ ROBERTO PFEIL
Die Kölner Polizei kommt nicht aus der Schusslinie der Kritik: Ihnen sei der wegen Verdachts auf geplanten Vielfachmord in einer Schule vernommene 17-Jährige doch entwischt, sagte ein Sprecher der Bezirksregierung. Die Polizei bestreitet das.

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Köln - Nach dem Amoklauf-Alarm an einem Kölner Gymnasium und dem Selbstmord eines verdächtigten Schülers häufen sich die Widersprüche zum Vorgehen der Polizei. Ein Sprecher der Bezirksregierung bestätigte am Mittwoch die Aussagen des stellvertretenden Schulleiters im Kölner Stadt-Anzeiger, wonach der Schüler der Polizei bei einer Vernehmung in der Schule entwischte. Der Kölner Polizeipräsident Klaus Steffenhagen hatte die Ereignisse zuvor gegensätzlich dargestellt.

Der Darstellung in der Zeitung zufolge tauchte der Schüler nach einem Gang zur Toilette nicht wieder auf, daraufhin haben sich Lehrer und Beamte gemeinsam auf die Suche nach ihm gemacht, die aber ohne Erfolg geblieben ist. Der 17-Jährige, der in Verdacht stand, die Ermordung von 17 Menschen am Georg-Büchner-Gymnasium zu planen, nahm sich mit einem Sprung vor eine Straßenbahn das Leben.

Gang auf die Toilette

Polizeipräsident Steffenhagen hatte am Dienstagabend erklärt, der Bursch sei nicht geflohen. Vielmehr sei das Gespräch bereits beendet gewesen, als der 17-Jährige erklärt habe, er müsse zur Toilette gehen. Die Beamten hätten daraufhin das Schulgebäude verlassen. "Aus den Ermittlungsakten ergeben sich keine Aussagen oder Tatsachen, die belegen, dass die Beamten wussten, dass der Schüler von der Toilette nicht mehr zurückkehrte", verteidigte der Polizeipräsident das Vorgehen der Beamten.

Mitschuld

Kritiker hatten den Beamten vorgeworfen, den Selbstmord des 17-Jährigen möglicherweise mitverschuldet zu haben. In dem Gespräch hatte die Polizei klären wollen, warum dieser Bilder eines Schulmassakers in den USA auf einer Website veröffentlicht hatte. Seine Eltern waren nach Polizeiangaben nicht hinzugezogen worden, weil es sich um eine sogenannte Gefährderansprache und nicht um eine Vernehmung gehandelt habe.

Frage nach Strategien

Der Kölner Staatsanwalt Alf Willwacher erklärte, er wolle sich zu den unterschiedlichen Darstellungen der Schule und Polizei zunächst nicht äußern. "Wir werden jetzt erst einmal mit beiden Seiten sprechen, um zuverlässig und gesichert Auskünfte erteilen zu können", sagte er.

Früherkennungssystem

Die nordrhein-westfälische Polizeigewerkschaft wies die Kritik an der Kölner Polizei unterdessen erneut zurück. "Die Schlaumeierdiskussionen im Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz sind verantwortungslos und unerträglich", sagte der Vorsitzende Rainer Wendt. Sie provozierten Nachahmungstäter und Trittbrettfahrer. "Die Kritiker sollten sich lieber darum bemühen, wie man langfristig Strategien und Konzepte entwickeln kann, um ein praktikables Früherkennungssystem aufzubauen."

Herausforderung für die Polizei

Der Polizeiausbilder Udo Tönjann erklärte im ZDF, ein Amoklauf sei immer eine große Herausforderung für die Polizei. Der Zeitdruck sei enorm. "Die Einsatzkräfte vor Ort müssen in der Lage sein, sofort zu handeln." Polizisten in Nordrhein-Westfalen würden darauf speziell vorbereitet, und zwar durch theoretischen Unterricht, rechtlich-ethische Schulung und taktische Unterweisung.

Im Fall des Kölner Gymnasiums war die Polizei zunächst davon ausgegangen, einen unmittelbar bevorstehenden Amoklauf des 17-Jährigen und eines 18-jährigen Mitschülers verhindert zu haben. Am Montag hatte die Kölner Staatsanwaltschaft dann bekanntgegeben, dass die beiden Freunde die Planungen für ein Blutbad offenbar schon vor Wochen eingestellt hatten. Der 18-Jährige befindet sich inzwischen freiwillig zur behandlung in einer psychiatrischen Klinik. (AP/ DER STANDARD Printausgabe 22.11.2007)