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Der kindlichen Freude am "Milchschaum" lässt sich ja noch etwas abgewinnen.

Foto: Reuters/Yuriko Nakao
+++Pro Von Ljubisa Tosic Natürlich kommt es auf die inneren Werte an - seit Pamela Anderson wissen wir jedoch, dass das nicht genügen kann. Zudem: Grässlich hässlich sind wir selbst, also wollen wir nur schöne Dingen um uns dulden. Lasst uns also den Alltag ästhetisieren, bis in Mikrobereiche hinein soll der schöne Schein uns wohlig benebeln! Und überhaupt: Warum soll ein Kaffee nicht das Recht auf eine tolle Frisur haben? Warum soll das Auge gedemütigt werden? Es schlürft ja mit. Und wenn schon die Begegnung mit gutem Kaffee in Kaffeehäusern so wahrscheinlich ist wie ein Lottofünfer, wollen wir, dass die flüssige Beleidigung zumindest so verziert wird, dass die Optik Trost spendet.

Es symbolisiert so ein Getränk ja auch rare Augenblicke des Innehaltens, Minutenurlaub genannt. Und Skeptikern sei auf den Weg auch mitgegeben: Latte Art ist eine neue Kunstform. Wenn dereinst Genies des Faches erste Ausstellungen bestreiten sollten, werden manche beschämt erkennen müssen, eine echte Innovation nicht erkannt zu haben. Doch es ist noch nicht zu spät!

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Contra---
Von Karl Fluch

Dekadenz kennt viele Erscheinungsformen. Eine davon ist der Milchschaum. Der wird zu Hause jeden Morgen, sklavisch ergeben, dem Gegenüber für den Kaffee gewichst. Das darf man so sagen. Immerhin erinnert die Bewegung am manuellen Milchschäumer, den man in der Milchkaffeehauptstadt der Welt, in Berlin, in einem Milchkaffeefachgeschäft gekauft hat, an typische Alleinunterhalterfreuden, wobei das Vergnügen für den Hersteller der weißen Bläschen bescheiden ist. Aber was tut man nicht alles mit vollem Herzen? Oder voller Hose. Aus! Bis hierher und nicht weiter, meinen Sie? Stimmt.

Denn der neuen Mod', den mühsam im Morgennebel erzeugten Schaum auch noch zu verzieren, genannt "Latte Art", gehört der Riegel vorgeschoben. Der kindlichen Freude am "Milchsaum" lässt sich ja noch etwas abgewinnen - und sei es Schadenfreude über den Milchbart an den Lieblingslippen. Die Behübschung des ollen Schaums ist allerdings etwas für Gören, die Britney oder Paris heißen. Für Leute, die Vakuum mit Pipifax zu füllen suchen. Dekadenz pur. (Der Standard/rondo/23/11/2007)